1) Gabe/Jersey & 2) Gabe/Lynn

Als Lynn ihn schließlich doch umarmte, hätte Gabriel beinahe wieder angefangen zu weinen.
Es fühlte sich unglaublich gut an, so von jemandem umarmt zu werden.
Von Lynn umarmt zu werden... denn bei Jersey hatte es sich ein bisschen anders angefühlt.
Sein Herz hatte nicht so sehr geklopft, und er hatte nicht so sehr das Bedürfnis gehabt dämlich zu grinsen wie jetzt.
Als Lynn ihn ein bisschen neckte, lächelte Gabriel schon wieder, und als Lynn ihn losließ strahlten seine grünen Augen.
"Und jetzt überlegen wir uns ein paar Hobbies für dich.", meinte Lynn.
Gabriel zog die Knie an die Brust und lehnte sich an Lynns Seite.
"Hm... Sport find ich ziemlich doof... Musik mag ich gern, und ich lese auch manchmal Bücher. Aber... ich mag es nicht wenn in Büchern schlimme Dinge passieren... und deshalb träume ich lieber."

"Aha, träumen kannst du also", stellte Lynn amüsiert fest.
"Sehr schön, dann würde ich sagen suchst du dir eine Wattewolke und ein paar Flatteriche und dann träumt ihr euch gemeinsam ins Nimmerland hinter den sieben Bergen."

Gabriel war ein hoffnungsloser Fall.
Wirklich sehr hoffnungslos...
"Würdest du gerne Gitarre spielen lernen? Ich hab eine alte Gitarre, die kann ich dir ausleihen und wenn du dann glücklich bist schenke ich dir sogar ein Übungsbuch zu Weihnachten", schlug er vor, der Sarkasmus war noch immer nicht ganz aus seiner Stimme verschwunden.
"Oder vielleicht Blockflöte?"

"Wenn ich hier bin muss ich garnicht träumen", grinste Gabriel und sah Lynn von unten her an.
"Blockflöte ist ein Folterinstrument!", protestierte Gabriel dann entsetzt.
"Aber Gitarre würde ich schon gerne lernen, wenn... du es mir beibringst.", sagte er dann etwas ernster.
Ihm war klar, dass Lynn wahrscheinlich wollte, dass er es selbst lernte, aber weshalb sollte er Gitarre lernen, wenn er dann trotzdem allein war?

Lynn seufzte leise.
"Ok", gab er nach und stand auf.
Er wollte es sich noch nicht so recht eingestehen, aber irgendwie war es schön Gesellschaft zu haben und er hatte auch so gar keine Lust Gabriel nach dem Theater wieder nach Hause zu schicken.
Das musste der Kleine aber nicht wissen.
Am Ende würde er noch seine große Chance wittern und in wenigen Tagen stünde hier alles voll mit Umzugskisten und Gabriel richtete sich in seinem Wohnzimmer häuslich ein.
Nein danke, das brauchte er nun wirklich nicht.

Er ging in sein Schlafzimmer, holte die Gitarre und reichte sie Gabriel.
"Fühl dich geehrt, andere Leute zahlen dafür, dass ich ihnen das beibringe", meinte er augenzwinkernd und setzte sich.
"So, jetzt erzähl mal Gabriel. Was weißt du denn schon alles über das Instrument, dass du da in den Händen hast?", fragte er mit Kindergärtnerstimme.

Nun strahlte Gabriel tatsächlich übers ganze Gesicht und setzte sich aufrecht hin.
Neugierig betrachtete er die Gitarre, als Lynn sie ihm gab.
Natürlich hatte er schon Gitarren gesehen, er hatte bloß noch nie eine in der Hand gehalten.
"Eigentlich... weiß ich nur, dass man... naja... hier oben draufgreifen muss um die Töne zu verändern, und je nachdem wie man draufgreift, und wo, wird es dann ein anderer Ton. Und man kann entweder so machen, oder so.", erklärte Gabriel und schlug erst alle Saiten an, dann zupfte er einzelne.

"Na da weißt du doch schon eine ganze Menge Gabriel!", lobte Lynn mit gespiuelter Begeisterung.
"Also pass mal auf. Die Saiten haben Namen. Jeder Name steht für einen Ton. Die oberste, die dicke hier, die heißt E, die darunter A, dann D, G, H und die untere hier heißt wieder E. Das musst du dir merken. Sag mal "Eine alte Dame ging Heringe essen". Wenn du dir den Satz merken kannst, dann weißt du auch die Namen der Saiten. Die Weißen Striche da auf dem Hals, das sind Bünde. Je nachdem in welchem Bund du greifst, veränderst du die Tonhöhe. Je weiter innen, desto höher der Ton. Hier oben an den Rädchen kannst du die Gitarre stimmen. Das wirst du allerdings nicht tun, weil ich mich sonst gezwungen sehe, dich rauszuschmeißen, man verstimmt nämlich nicht einfach fremde Gitarren. Es gibt eine feste Regel, mit welchen Fingern du welche Saiten runterdrückst.", erklärte Lynn, noch immer in seiner 'Ich bringe einem Kleinen Kind das Gitarrespeilen'-Stimme.
"Und wo du jetzt alles wichtige weißt, lernen wir den ersten Akkord.", eröffnete er ihm dann.
"Du nimmst deinen kleinen Finger und drückst ihn auf die untere E Saite im dritten Bund. Du musst fest drücken, so dass der Ton schön klar klingt, aber nicht verkrampft, sonst tuts weh."
Er wartete, bis Gabriel die Aufgabe erfüllt hatte, dann forderte er ihn auf die Saiten anzuspielen.

Skeptisch hörte Gabriel Lynn bei seinen Ausführungen zu, versuchte aber gleichzeitig sich alles zu merken.
Brav tat er was Lynn ihm sagte, und spielte die Saiten an.
Klappte soweit schon ganz gut...
"Machst du das öfter?"

"Ja, das klingt doch schon mal nicht schlecht", lobte Lynn, obwohl das, was Gabriel da zu stande brachte noch lange nicht spruchreif war.
Dann nickte er.
"Ich gebe regelmäßig Gitarren- und Bassunterricht. Ist eine gute Sache um sich Geld dazuzuverdienen.", erklärte er, dann überlegte er, ob er Garbiel weiter üben lassen sollte, oder ihm schon einen neuen Akkord zumuten konnte.
"Das gerade wareine einfache Version des G-Dur Akkords. Jetzt machen wir gleich weiter und lernen den zweiten, den D-Dur Akkord. Der ist schon ein bischen schwieriger."
Er zeigte Gabriel den nächsten Akkord und ließ ihn diesen wieder üben.
Schließlich konnte Gabriel die ersten drei Akkorde schon sehr gut und Lynn konnte ihm das erste Lied beibringen.

Fasziniert betrachtete Gabriel Lynn, während dieser ihm alles erklärte, und musste sich mehrmals zusammenreißen sich darauf zu konzentrieren was ihm beigebracht wurde.
Er hätte Lynn stundenlang ansehen können... er schaute so konzentriert, achtete darauf, dass Gabriel alles verstand und seine Anweisungen richtig ausführte...
Verträumt lächelte Gabriel einen Moment lang nur vor sich hin, bevor er sich wieder auf Lynn konzentrierte.
Beziehungsweise auf das, was dieser ihm erzählte.
"Ich mag Gitarrenmusik total gerne...", murmelte er irgendwann zwischen zwei Akkorden und verschieg dabei, wie gern er auch Lynn mochte.
Und gerade deshalb gab sich Gabriel besonders viel Mühe.

Jersey war gelinde gesagt ein wenig verstimmt. Wenn nicht gar entrüstet.
Er stand vor dem Schultor, mit 'Dein letztes Stündlein hat geschlagen, mein Freundchen!'-Gesicht und wartete auf Gabriel.
Er hatte seinen tollen besten Freund im Laufe der letzten Woche lediglich und ausschließlich in der Sschule gesehen.
Und es wäre nun wirklich absurd gewesen zu behaupten, er sei dort auch nur ansatzweise angwesend gewesen.
Jersey verlangte ja gar nicht, dass Gabriel, wie bisher Tag und Nacht bei ihm herumlungerte, aber wenigstens der Hauch einer Erklärung wäre durchaus wünschenswert gewesen.

Da kam er auch schon, sein heißgeliebter Blondschopf.
Jersey starrte ihn mit unverändert bedrohlicher Miene an, baute sich, als Gabe bei ihm angekommen war, vor dem Größeren auf und funkelte ihn streng an.
"Erklärung! Sofort!!!", fauchte er.

Jeden Tag nach der Schule lief Gabriel sofort zu Lynn.
Er machte sich garnicht erst die Mühe zwischendurch nach Hause zu gehen und manchmal blieb er sogar über Nacht bei Lynn.
In der Schule konnte er sich noch weniger konzentrieren als sowieso schon, war mit seinen Gedanken immer bei dem anderen.
Natürlich ging er offiziell nur für den Gitarrenunterricht hin.
Und für nachher und vorher.
Als Gabriel sich an diesem Freitagmorgen dem Schultor näherte und Jersey dort schon wartete, wusste er, dass es Ärger geben würde.
"Erklärung! Sofort!!!", fauchte Jersey tatsächlich, als Gabriel vor ihm stand, und Gabriel schaute betreten zu boden.
Ihm war garnicht aufgefallen wie sehr er den kleinen vernachlässigt hatte.
"Ich... ich glaube ich habe mich verliebt...", murmelte er, bevor er noch über eine Antwort nachdenken konnte, und der zarte Rotton und das verträumte Lächeln sowie das unverkennbare Leuchten in seinen Augen sprachen Bände.

Verliebt.
Aha.
Soso.
Verliebt also.
Na dann.
Wenns sonst nichts war.
Ha!
Arschloch!
"Und das ist ein Grund mich einfach so auf das Abstellgleis zu stellen?", fauchte Jersey, kein Stück gerührt von Gabriels Röte.
"Du hättest mit ruhig sagen können, dass du mich jetzt nich merh brauchst, dann hätt ich dich nicht weiter mit meienr Anwesenheit belästigt!"

Erschrocken sah Gabriel auf.
"Aber... aber ich brauche dich doch!", protestierte er entsetzt.
"Ich weiß doch garnicht was ich jetzt tun soll! Und... das war nur... ich war so... ich war halt... immer bei... bei IHM... es tut mir leid, ich wollte dich nicht so vernachlässigen... Ehm... wie wärs wenn... ich dich in der Mittagspause auf Schokokekse einlade, als Entschuldigung?"
Verlegen und mit einem sichtlich schlechten Gewissen fuhr sich Gabriel durch die Haare, dann fing er jedoch an zu strahlen und umarmte Jersey verliebt seufzend.

Jersey zog zynisch die Augenbraue nach oben, als er einen Wattewolkengabriel um sich hängen hatte.
"Willst du die Zeit nicht lieber mit deinem Lover verbringen?", fragte er beinahe ein wenig bösartig, jedoch nur beinahe.
"Ich bin mir sicher, ihr wisst die Zeit ganz gut zu nutzen."
Er entwischte aus Gabriels Umarmung und lief voran in das Schulgebäude, da der Unterricht bald anfing.

Etwas verwirrt sah Gabriel Jersey hinterher, als dieser bereits fast im Gebäude verschwunden war.
Erst kurz vor dem Klassenraum holte er ihn wieder ein.
"Aber... aber er ist doch garnicht mein Lover...", teilte er Jersey mit gesenkter Stimme mit.
"Er weiß doch garnicht dass ich in ihn verliebt bin und... ich weiß es glaub ich auch noch garnicht offiziell, und wir haben uns auch noch nicht geküsst oder so, ich weiß nichtmal ob er... ob er schwul ist... Ich hab nur bei ihm übernachtet und er gibt mir Gitarrenunterricht, also... auf dem Sofa, und er hat einen Mitbewohner, der heißt Pete aber ist eine Ratte und isst nur Cracker. Schokokekse darf er nicht."

"Aha, ihr macht es also auf dem Sofa", verstand Jersey Gabriels Aussage bewusst falsch.
Es machte ihm höllischen Spaß Gabriel zu ärgern, er blieb jedoch äußerlich unverändert kühl.
Während er sich auf seinen Platz setzte und seinen Schreibkram aus der Tasche wühlte, fragte er sich jedoch ernsthaft, wo zum Teufel Gabriel gitarrespielende Männer mit keksefressen Ratten auftat.

"Nein! Machen wir nicht! Also... den Gitarrenunterricht schon und ich hab auf seinem Sofa übernachtet, aber nicht..."
Wieder lief Gabriel rot an und fuchtelte verwirrt mit den Händen in der Luft herum.
"Er ist einfach... " Gabriel seufzte verträumt und suchte augenscheinlich nach einem Wort das Lynn beschrieb, aber er fand keins.
"Ich... ich hab doch noch nie...", flüsterte er dann schrecklich verlegen und machte weitere nichtssagende, bedeutungsvolle Gesten.

"Was hast du noch nie?", stellte Jersey sich dumm, dämpfte dabei jedoch seine Stimme, da der Lehrer den Raum betrat.

Hochrot im Gesicht beugte sich Gabriel noch näher an Jersey heran und ächzte leise.
"Ich... jemanden geküsst... oder... sowas...", flüsterte er, und man konnte fast hören, wie die Luftfeuchtigkeit über seinem Kopf verdampfte.

Jersey drehte sich langsam zu Gabriel und sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.
Dabei musste er sich ein Grinsen wirklich sehr heftig verkneifen.

"Und er? Hat er etwa auch noch nie... jemanden geküsst... oder... so?", fragte er seeehr besorgt.

"Ich... das weiß ich doch nicht... er... er hat bestimmt Erfahrung! Er ist... total cool... und... er ist barkeeper und hat eine eigene Wohnung! Und er ist 22!", flüsterte Gabriel eindringlich zurück und wirkte dabei schon fast komisch verzweifelt, während ihm die Situation gleichzeitig unheimlich peinlich war.

"Und du bist sein Gitarrenschüler und er schaut dich mit dem Arsch nicht an. Willkommen in der Welt Gabriel", eröffnete Jersey und harkte die Sache damit ab.
Eigentlich sollte Gabriel aus dem Alter draußen sein, in dem man sich in coole, ältere Typen verknallte und sie dann bis zum Abwinken anhimmelte.
Sich in seinen Gitarrenlehrer zu verknallen! Wie blöd konnte man denn sein?
Jersey beschloss etwas gegen Gabriels "Ich hab noch nie..." vorzugehen, koste es was es wolle...
Eh... nun, nicht ganz.
Bezahlen würde er bestimmt keinen, damit er sich von Gabe flachlegen ließ... dann würde er es eher noch selbst tun.
Was dann wiederum eine absolut absurde Vorstellung war...

Der Satz war wie eine Badewanne voll Eiswasser, die Über Gabriels Kopf ausgegossen wurde.
"Ich... m-meinst du wirklich...? Er... er macht das umsonst und... ich... er ist doch... immer so nett zu mir wenn... ich da bin...", stammelte er leise und schrecklich enttäuscht.
Der Gedanke, dass Lynn in ihm nicht mehr als einen Schüler sah, kam ihm zum ersten Mal.
"Wahrscheinlich hast du recht...", wisperte er traurig und sank entmutigt in sich zusammen.
Was sollte jemanden wie Lynn an jemandem wie ihm schon interessieren?
Langsam wich das verliebte Funkeln aus seinen Augen und die Freude aus seinem Gesicht, und plötzlich wirkte die Welt wieder grau und ungemütlich.

"Wenn er es kostenlos macht, dann wäre ich vorsichtig", riet Jersey, während er dein Eintrag von der Tafel abschrieb.
"Dann will er dich nämlich nur flachlegen. Und sobald er dich durch die Kiste geschleift hat, schmeißt er dich raus."
Es tat Jersey ja wirklich leid, Gabriel so desillusioniert zu sehen, aber was brachte es denn ihn in seinen rosaroten Liebesträumen sitzen zu lassen? Früher oder später würde ihm einer ds Herz brechen und darauf sollte er nun mal vorbereitet sein.
Besser er erkennte es jetzt, als dass er es am eigenen Leibe erfuhr.
Und dann womöglich gar nicht mitbekam, wenn er ausgenutzt wurde!
Gabriel war Jerseys bester Freund!
Es war doch seine Aufgabe sich um den Großen zu kümmern und auf ihn aufzupassen!

"Aber... warum hat er das dann nicht schon gemacht?", fragte Gabriel, nicht bereit schon aufzugeben.
"Er hätte mich doch dann schon in der ersten Nacht 'durch die Kiste schleifen' können... ", meinte er zweifelnd.
Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Lynn so war.
Niemals.
Er vertraute Lynn!