1) Gabe/Jersey & 2) Gabe/Lynn

Lynn ließ Gabriel eintreten und schloss die Tür hinter ihm.
"Hast du wenigstens was zum Frühstück mitgebracht?", murmelte er, während er ihm durch den Flur folgte.
Er setzte Kaffee auf und ließ sich auf einen Stuhl am Küchentisch sinken.
Pete kam sofort angetrabbelt, kletterte an seinem Bein hoch und begrüßte Lynn fröhlich, dann bemerkte er Gabriel und wiederholte seine Begrüßungszeremonie bei ihm.
"Ist dein Vater wieder scheiße drauf?", fragte Lynn, nachdem er sich den Schlaf aus den Augen gerieben und erneut gegähnt hatte.
"Oder klingelst du mich jetzt jeden Sonntag mitten in der Nacht aus dem Bett?"

Stumm nickte Gabriel, dann schüttelte er den Kopf.
"Aber ich kann Brötchen holen gehen...", schlug er zaghaft vor.
Erst als Pete an seinem Bein hochkletterte, konnte Gabriel ein kleines Lächeln nicht mehr unterdrücken.
"Er hat keinen Alkohol mehr", murmelte Gabriel dann resigniert und nickte wieder.
"Ich... tut mir leid... ich dachte du bist schon wach..."

"Brötchen klingt gut", antwortete Lynn.
"Gegenüber ist ein Bäcker, ich will zwei normale Brötchen und eine Laugenstange. Du kannst dir mitnehmen was du willst", meinte er, stand auf und holte seinen Geldbeutel. Er drückte Gabriel Geld in die Hand und schob ihn nach draußen.
Als Gabriel weg war, zog er sich an und deckte den Tisch.

Seufzend nahm Gabriel das Geld und machte sich auf den Weg.
Er brauchte wirklich nicht lange, dann kam er mit den Brötchen für Lynn und einem für sich zurück und fühlte sich schon etwas besser.
Wieder klingelte er, und drückte Lynn die Tüte in die Hand, als dieser ihn hereinließ.
"Musst du heute wieder arbeiten?", fragte er leise, als er sich an den Tisch deckte und sich Pete zum kuscheln holte.

Lynn bedankte sich für die Brötchen und setzte sich wieder auf seinen Platz.
Der Kaffee stand schon fertig auf den Tisch, Lynn goss sich eine Tasse ein, dann schob er Gabriel die Kanne zu.
"Nein, ich arbeite neute nicht, aber ich hab später eine Theateraufführung. Was in gewisserweise auch beinahe Arbeit ist, weil ich Geld dafür bekomme, aber wenigstens macht es Spaß. Naja jedenfalls bin ich bis fünf hier. Ich nehme an, du auch?"

Ezwas dumpf sah Gabriel die Kanne an, dann gingen die Lichter in seinem Kopf an und er schenkte sich etwas ein und tat Milch und viel Zucker dazu.
"Du spielst Theater?", staunte er und rührte neben der Tasse in der Luft herum.
"Darf ich zuschauen? Meinst du es ist noch ein Platz frei? Ich war noch nie im Theater..."
Verwirrt nahm er die Zuckerdose und trank einen Schluck, dann spülte er mit der Milch nach.
"Ich... "
Misstrauisch starrte er seine unberührte Kaffeetasse an und kraulte dann lieber Pete.

Lynn sah Gabriel kopfschüttelnd an und schmunzelte.
"Gabriel, du bist ein sehr merkwürdiger Mensch", eröffnete er ihm grinsend und trank einen Schluck seines eigenen Kaffees.
"Du kannst gerne mitkommen, wenn du möchtest. Es ist allerdings nur eine Leienspielgruppe, kein großes Theater, nur ein kleines Kammertheater in einem kleinen Keller.", erzählte Lynn und begann sein Brötchen zu schmieren.
"Vielleicht wäre das ja auch was für dich? Du solltest dir dringend Hobbies zulegen. Es ist nicht gesund ständig bei wildfremden Leuten rumzusitzen."

Gabriel schmollte etwas, dann nahm er konzentriert die Kaffeetasse und trank diesmal richtig.
"Vielleicht bin ich ja garkein Mensch", murmelte er, dann hörte er Lynn jedoch interessiert zu.
"Ich glaub es ist mir egal wie groß das Theater ist", lächelte er dann und schmierte sich sein Brötchen mit Butter und Zucker.
"Ich weiß nicht... im Theater... schauen einen alle an, wenn man auf der Bühne ist. Man kann sich garnicht verstecken..."

"Man muss sich auch nicht verstecken.", widersprach Lynn kauend.
"Wenn du auf der Bühen stehst, bist du nicht du selbst. Kein Schwein da unten interessiert sich für dich. Sie sehen nur die Figur die du verkörperst. Wenn du es schaffst, dass sie dich auf der Straße nicht merh wieder erkennen, dann bist du gut. Und wenn du DAS jetzt isst, dann bist du echt ein Freak!"

"Hm...", machte Gabriel und dachte nach.
Das Angebot reizte ihn, aber er wusste nicht, ob er sich zutraute von so vielen Menschen angeschaut zu werden.
Oder jemand anders zu sein.
Er wusste ja nicht einmal richtig wer er selbst war...
Irritiert hielt er inne, den Mund bereits geöffnet, das Brötchen kurz vor dem Gesicht und schielte fragend zu Lynn hoch.
"Hä?"
Dann biss er trotzdem ab und seufzte zufrieden.
"Was für ein Stück spielt ihr eigentlich?"

"Oh Gott du hast es gegessen!!!", stellte Lynn schockiert fest.
Dann fasste er sich wieder und schüttelte kuzr den Kopf.
"Eh ja... ja genau. Wir spielen gerade `Geschlossene Gesellschaft`, ein Stück von Sartre. Aber es laufen schon die Proben für das nächste Stück, eine Komödie. Wenn du möchtest, kannst du mal mitkommen, wir hätten noch ein paar kleine Statistenrollen, vielleicht wär da ja eine was. Und wenn nicht, kannst du einfach ein bisschen reinschnuppern.", bot er an und schluckte den letzten Bissen seines Brötchens herunter.

"Natürlich hab ich es gegessen! Das ist mein Zuckerbrötchen!", verteidigte Gabriel empört sein Brötchen und biss provokant noch einmal herein.
"Klar, ich komm gerne mit...", lächelte er dann und sah Lynn, das Kinn auf die Hand gestützt an.
"Lynn...?", murmelte er dann leise und das Lächeln verblasste langsam.
"Kannst du... kannst du mich in den Arm nehmen?"

Sehr, sehr langsam zog Lynn die Augenbraue hoch und musterte Gabriel mit undeffinierbarem Gesichtsausdruck.
"Wieso?", fragte er dann interessiert.

"Ich... weil...", stammelte Gabriel verlegen und lächelte unglücklich.
"Weil... weil du aussiehst als könntest du das gut...", murmelte er dann kaum hörbar und sank etwas in sich zusammen.
"Tut mir leid", schob er dann schnell hinterher und versuchte seine feuchten Augen mit einem Lachen zu überspielen.
"Vergiss das, das war doof."

"Ich versteh dich nicht ganz Gabriel", erklärte Lynn ruhig.
"Wir kennen uns nicht. Du bist jetzt den zweiten Tag in Folge bei mir, bei einem Wildfremden. Ich könnte alles mögliche sein! Aber du vertraust mir einfach so. Warum? Du willst sogar dass ich dich umarme! Warum?"

"Ich... weiß nicht...", wisperte Gabriel und senkte schnell den Kopf, als seine Stimme brüchig wurde.
"Du BIST halt nicht alles mögliche... du bist... du bist Lynn und... du lebst mit Pete zusammen... und ich mag dich!"
"Ich vertraue dir einfach... ich hab doch... ich glaube du verstehst mich."

"Du weißt doch gar nicht wer ich bin!", widerpsrach Lynn.
"Was, wäre, wenn ich ein Exjunkie wäre? Ein Alkoholiker? Einer, der jahrelang auf der Straße gelebt hat? Jemand, der beinahe mehr Nächte in Arrestzellen verbracht hat, als in einem Bett? Woher willst du wissen, dass es so nicht ist? Woher nimmst du bitte dieses Vertrauen in mich?"

Lynn konnte Gabriel wirklich nicht verstehen.
Bisher hatte ihm niemand so blind und grundlos vertraut.
Und Lynn fühlte sich verantwortlich für den Kleinen.
Das war es, was ihn ärgerte.
Er wollte keine Verantworung übernehmen!
Für nichts und niemanden außer Pete und sich sellbst! Das reichte ihm vollkommen!

"Aber es ist doch völlig egal was du mal warst!"
Erst jetzt sah Gabriel wieder auf.
Er verstand Lynn nicht.
Und er verstand auch sich nicht, weil zum Teil hatte der andere ja Recht!
"Wenn du ein Exjunkie bist bedeutet das doch, dass du jetzt kein Junkie bist, du hast hier keinen Alkohol und hast weder gestern noch heute getrunken, wenn du Nächte in Arrestzellen verbracht und auf der Straße gelebt hast, dann sagt das mehr über deine Familie und deine Hintergründe aus, als über dich. Diese ganzen Dinge sind völlig egal, das interessiert mich nicht, es stört mich nicht wenn du auf der Straße gelebt hast, deshalb bist du doch kein böser Mensch!"

"Aber das ist verdammtnochmal kein Grund mir zu vertrauen!", fuhr Lynn Gabriel an und stand auf um seinen Teller in die Spüle zu stellen.

"Ich brauche auch keinen Grund.", erwiderte Gabriel leise und stellte seinen Teller ebenfalls in die Spüle.
Zaghaft legte er die Hand auf Lynns Rücken.
"Warum... ist das so schlimm...?", fragte er traurig, trat einen Schritt näher, und lehnte die Stirn an Lynns Schulter.
"Ich mag dich... ich... du hast mir geholfen... und... ich wusste dass du mir hilfst..."

"Und ich mag Menschen nicht", erwiderte Lynn kühl und ließ Gabriel alleine in der Küche stehen, während er sich auf das Sofa setzt und tat, als würde er Texte lernen.

Gabriel ging ihm auf die Nerven.
Er trampelte einfach so in seiner Privatsphäre herum und hielt es nichteinmal für nötig sich zu rechtfertigen.

Verletzt zuckte Gabriel zusammen und blieb mit hängendem Kopf in der Küche stehen.
Langsam liefen ihm Tränen übers Gesicht, und die schönen Gefühle, die Freude und die Sicherheit und das Glück tropften aus ihm heraus und ließen nur die alte Leere und Einsamkeit zurück.
"Aber... vielleicht bin ich ja garkein Mensch...", widerholte er müde seine Worte von ein paar Minuten früher.

"Vielleicht", murmelte Lynn abwesend.
"Jemand der Butterbrot mit Zucker isst, kann eigentlich kein Mensch sein."

Er blätterte noch eine Weile in seinem Stück herum, dann legte er es weg und lehnte sich zurück.
"Möchtest du keine Hobbies haben, oder hat es sic nicht ergeben?", fragte er, ohne Gabriel anzusehen.

Wenn er den Kleinen so nicht loswurde, dann würde er ihn eben so beschäftigen, dass er gar nicht mehr dazu kam, ihm im Weg herum zu sitzen.

Langsam beruhigte sich Gabriel wieder, doch das kaputte Gefühl blieb.
"Ich hatte keine Zeit für Hobbies... und kein Geld... ich... wollte keine anderen Menschen sehen, weil ich Angst hatte, dass sie... Dinge über mich herausfinden. Und weil ich nicht wollte, dass sie irgendwann vielleicht mit zu mir nach Hause wollen."
Während Gabriel sprach, wischte er sich die Tränen aus dem Gesicht und setzte sich neben Lynn auf das Sofa.
Erschöpft lehnte er sich ebenfalls zurück, betrachtete Lynns Profil.
"Ich kann nicht anders...", murmelte er dann leise.
"Ich vertraue dir trotzdem."

Lynn seufzte geschlagen.
"Ok du hast gewonnen, komm her", meinte er und zog Gabriel in seine Arme.
"Und jetzt hör auf zu heulen, sonst krieg ich noch Mitleid."
Er drückte ihn noch einmal kurz an sich, dann ließ er ihn los und setzte sich wieder bequem hin.
"Und jetzt überlegen wir uns ein paar Hobbies für dich.", eröffnete er ihm dann.
"Magst du Sport? Ich nicht, aber es gibt ja Leute, die finden das ganz toll... oder vielleicht Musik? Oder Lesen? Warum liest du nicht ein paar Bücher?"