6) Jersey/Gabe

Gabriel lief schnurstracks zu Lynn.
Damit war jetzt wohl klar, dass Jersey nichts mehr mit ihm zutun haben wollte, und Gabriel fühlte sich schrecklich.
Er hatte praktisch die Hälfte der Menschen verloren die ihm etwas bedeuteten.
Und Jersey bedeutete ihm sehr, sehr viel.
Selbst als Jersey nach Amerika gegangen war hatte sich Gabriel nicht so gefühlt... Immerhin war es damals nicht Jerseys Entscheidung gewesen.
Irgendwie hatte er ihn die ganze Zeit bei sich gehabt, sie waren trotzdem Freunde geblieben.
Erst jetzt hatte Jersey ihn wirklich verlassen, und es war umso schlimmer, dass es diesmal aus freiem Willen geschah.
Und dass Gabriel jetzt wusste wie es sein konnte in der Schule nicht von auschließlich jedem ignoriert zu werden... jemanden zu haben mit der er die Zeit verbringen konnte die er sonst allein verbrachte, und mit dem er reden konnte, der sich Sorgen um ihn machte und um den er sich Sorgen machte.
Alles vorbei.
Und nichts half... die meiste Zeit weinte Gabriel, trotz Lynn, trotz Schokolade und trotz Pete.
Auch am nächsten Morgen ging es ihm so schlecht, dass Lynn ihm erlaubte zuhause zu bleiben.
Erst gegen Abend brachte der große ihn zurück in die WG.
Gabriel war unheimlich müde, und sein Kopf brummte vom vielen Weinen.
Es tat schrecklich weh schon wieder verlassen worden zu sein, und umso mehr klammerte er sich jetzt an Lynn.
Er wollte nicht allein bleiben, aber Lynn musste zur Arbeit... und da war ein verweinter Gabriel ziemlich fehl am Platz.
Wieder liefen Gabriel stumme Tränen übers Gesicht, und so entdeckte er die beiden Gestalten vor seiner Tür erst ziemlich spät.
Jersey... und ein Fremder.
Wahrscheinlich einer von Jerseys neuen Freunden.
Schwach aufschluchzend drehte sich Gabriel um, versteckte das Gesicht an Lynns Brust und versuchte bebend, ihn wieder nach draussen zu schieben.

Lynn wusste wirklich nicht mehr, was er mit Gabe anstellen sollte und er fühlte sich richtig dreckig, Gabriel jetzt alleine zu lassen, aber wenn er jetzt schon wieder nicht arbeiten ging, verlor er vermutlich bald seinen Job und das konnte er sich wirklich nicht leisten...
Er nahm sich fest vor, sofort nach der Arbeit bei Gabe vorbeizugehen und zu schauen, ob er noch wach war. Wenn nicht, würde er ihm am nächsten Morgen Frühstück vorbeibringen.
Als sie dann vor Gabriels Wohnung standen, zog Lynn die Augenbraue hoch.
Na also, ging doch!
Nur Gabe sah das wohl anders.
Mit sanfter Gewalt schob er ihn zurück in Richtung Jersey und zwinkerte ihm aufmunternd zu.
"Ruf mich an, wenns schief geht", flüsterte er ihm aufbauend ins Ohr, dann drückte er ihn kurz und verabschiedete sich von Jersey und dem Fremden neben ihm.
Draußen vor der Tür, wartete er noch einige Minuten, ob Gabriel sich doch drückte, bevor er zur Arbeit ging.

So lange mussten sie dann doch nicht mehr warten.
Chris merkte schon allein an Jerseys Reaktion, dass die beiden die da auf sie zukamen Lynn und Gabe sein mussten.
Und es war nicht wirklich schwer zu erraten wer hier wer war.
Chris fiel beinahe alles aus dem Gesicht, als er sah wie fertig der Kleine war.
Fast vermutete er, dass mehr dahintersteckte, als Jerseys Gespräch mit ihm...
Der Blondschopf schaltete sofort auf Rückwärtsgang, als er sie entdeckte, doch sein großer Begleiter schien das nicht zu akzeptieren, so dass nach kurzer Zeit nurnoch ein heulendes Bündel vor ihnen stand und versuchte, sich hinter einem Luftloch zu verstecken und gleichzeitig in seine Wohnung zu kommen.
Auffordernd stubste Chris Jersey an.
"Na los... hier hast du die Kekse, ich glaub die könnt ihr gebrauchen. Gute Gelegenheit ales zu klären. Sags ihm, okay? Rein mit dir..."
Schnell war er aufgestanden und half auch Jersey hoch, um ihn sanft hinter Gabriel her in die Wohnung zu schieben.
"Viel Glück... sag mir später wies gelaufen ist...", murmelte er Jersey noch aufmunternd zu, und wuschelte ihm durch die Haare.
Dann ging er langsam, und alle Fluchtwege versperrend raus.

Jersey starrte konzentriert ein Steinchen an, das vor seinem rechten Schuh lag.
Er ließ sich widerwillig von Chris in die Wohnung schieben, wo er sichtlich unglücklich im Flur stand und weiter seine Schuhe anschaute.
"Hey...", hauchte er und hielt Gabe die Kekse hin.

Nur die Anwesenheit von Jersey und dem Fremden hielten Gabriel davon ab Lynn hinterherzulaufen und ihn anzuflehen ihn mitzunehmen.
Er wollte nicht allein sein!
Und er wollte nicht noch mehr schlechte Nachrichten.
Doch auch der Fremde ging, und schon war er mit Jersey allein.
Ohne wirklich auf ihn zu achten, zog er seine Schuhe aus, nahm ihm die Kekse ab um sie in der Küche auf einen Teller zu tun und ging schniefend in sein Zimmer.
Dort angekommen setzte er sich auf sein Bett und umarmte das Kopfkissen, während er versuchte, sich etwas zu beruhigen.
Die Zimmertür hatte er offen gelassen.

Jersey blieb eine ganze Weile im Flur stehen, dann zog auch er seine Schuhe aus, stellte sie ordentlich nebeneinander und schlich langsam in Gabriels Zimmer.
Er schloss die Tür leise hinter sich und blieb direkt davor stehen.
"S-sorry...", wisperte er nach einer Weile.
Es tat ihm leid, wie fertig Gabriel war...

Gabriel war beinahe dankbar dafür, dass Jersey etwas länger brauchte, aber sobald der andere eintrat, war alles Beruhigen sowieso umsonst.
Wieder versuchte Gabriel sih etwas zu fassen und drückte das Gesicht ins Kissen.
Dann wischte er sich die Tränen ab und klopfte deutete Jersey, dass er sich zu ihm aufs Bett setzen sollte.
"Warum...?", hauchte Gabriel schließlich in Ermangelung einer präziseren Frage die all das abdeckte was er nicht verstand.

Jersey reagierte nur sehr langsam und setzte sich zögernd mit einigem Abstand auf die Bettkante.
"Keine Ahnung...", antwortete er leise.
"Ich bin scheiße... bitte... sei... sei mir nicht böse... bitte..."
Er kam sich so mikrig und dumm vor...

Es brauchte einen Moment, bis es bei Gabriel endlich 'klick' machte.
Vorsichtig schaute er auf.
"Du... du lässt mich nicht allein...?", wisperte er zaghaft.
"Was ist los mit dir? Bitte... sag mir jetzt einfach was du willst und... was du nicht willst, und ob wir noch Freunde sind und... und warum du diese Dinge tust...", bat Gabriel erschöpft und nahm sich einen Keks, um ein bisschen daran zu knabbern.

Jersey schüttelte langsam den Kopf.
Er hatte nicht vor Gabriel alleine zu lassen...
"Du... du hast mich doch alleine gelassen...", flüsterte er mit brüchiger Stimme.

"Ich hab dich..."
Völlig aus dem Konzept gebracht sah Gabriel Jersey an.
Er sollte Jersey allein gelassen haben?
Nahm er es ihm doch übel, dass er nicht zu ihm gezogen war?
"Jersey ich... ich konnte nicht zu dir ziehen... ihr habt doch... garkeinen Platz für mich und... und ihr seid eine Familie und ich nicht. Ich hatte Angst, dass er euch was antut...oder... dass dir irgendwas passiert... aber ich bin doch extra hierher gezogen weil du dir Sorgen gemacht hast...", versuchte er das vermeintliche Problem zu erlkären.

"Aber...", protestierte Jersey schwach.
"Du hast... du warst ständig nur bei Lynn. Immer! Ich... ich fühl mich total... abgestellt! Ich dachte... ich dachte du brauchst mich... aber... jetzt... brauchst du mich nicht mehr! Und... ich... fühl mich von dir verarscht! Und ausgenutzt! Und angelogen! Du... du könntest es mir wenigstens sagen! ICh... ich renn dir nicht länger nach!"
Nachdrücklich schniefte er und wackelte gekränkt mit der Nasenspitze.

Erschrocken sah Gabriel den Kleinen an, und mit jedem Wort wurde er blasser.
"Oh...", murmelte er schließlich betroffen.
"Ich... nein... natürlich brauch ich dich, Jersey! Es... ohmann es tut mir schrecklich leid, ich... hab nicht gewusst, dass... du dich so fühlst... Ich hab nicht bemerkt, dass ich... Ich dachte du willst nichts mehr mit mir zutun haben weil du dich verändert hast und ich nicht... Es tut mir leid! Wirklich!", flehte er und krabbelte zu Jersey um ihn in den Arm zu nehmen.
"Bitte verzeih mir! Ich... ich bin so verliebt in ihn und... ich wollte dich... nicht mit reinziehen in den ganzen Mist. In der Schule ignorieren sie dich doch sowieso schon, wegen mir und... Ich wollte eigentlich garnicht dass du das alles erfährst, aber du bist doch mein bester Freund! Und... es tut mir leid..."

"Ich kann gut damit leben, dass die Vollidioten in der Schule mich irnogieren, ich lege gar keinen Wert auf deren Aufmerksamkeit.", antwortee Jersey leise und drückte Gabriel fest an sich.
"Ich... es tut mir Leid dass ich so... dass ich so scheiße zu dir war.. ich... konnte irgendwie... nicht drüber reden", murmelte er dann und schmiegte seinen Kofp an Gabriel.
"Wie... geht es dir?"

Schrecklich erleichtert atmete Gabriel tief durch, schloss die Augen und wischte sich die Tränen ab.
"Schon ok...", murmelte er leise, und ließ sich mit Jersey zusammen auf die Matratze fallen.
"Wie... geht es dir?", fragte Jersey, und Gabriel war klar, dass er sicher etwas anderes meinte, aber...
Wieder wurden seine Augen feucht und er sah Jersey unsicher an.
"Ich hab schreckliche Angst, dass... ihr mich verlasst...", wisperte er.
"Ich... hab doch nur euch..."

"Was meinst du?", fragte Jersey irritiert.

"Dass ihr mich allein lasst! Dass ihr verschwindet, oder genug von mir habt, oder dass euch etwas passiert! Oder dass ihr neue Freunde findet, die besser zu euch passen und... die euch mehr geben können als ich, mit denen du feiern gehen kannst, oder..."
Aprubt brach Gabriel ab und versuchte, sich wieder zu beruhigen.
"Dass ihr... euer Leben lebt und... eure Pläne verwirklicht und ich... da irgendwann nicht mehr reinpasse..."

"Wer ist ihr?", fragte Jersey weiter.
"Ich kann nur für mich sprechen, aber ich... ich werde auf jeden Fall irgendwann wieder nach Amerika gehen aber... das heißt nicht, dass ich... dich alleine lassen werde!"

"Du und Lynn...", murmelte Gabriel leise, und kuschelte sich wieder an Jersey.
Die bloße Erwähnung der Tatsache, dass Jersey zurück nach Amerika gehen würde, brachte Gabriel wieder zum Weinen.
"Ich will nicht!", schluchzte er kläglich und klammerte sich an Jerseys Shirt.
"Das heißt du wirst mich auf jeden Fall wieder allein lassen...", wimmerte er und sah den kleineren verzweifelt an.
Er konnte sich nicht vorstellen, wie er ohne Lynn oder Jersey jetzt noch klar kommen sollte. Sie hatten ihn aus seiner Konservierung geholt und sein Leben verändert und jetzt kam er allein nicht mehr klar.

"Aber ich bleib nicht für den Rest meines Lebens in Deutschland!", stellt Jersey klar.
"Du hast doch dann noch Lynn und außerdem kannst du mich immer besuchen und wir können telefonieren und Mails schreiben und ich muss eh noch das Scheißabi vorher machen!"

"Ich weiß doch garnicht ob ich dann Lynn hab...", murmelte Gabriel erschöpft und schniefte leise.
Dann fiel ihm etwas auf.
"Hast du... warst du deshalb so komisch in letzterZeit? Und hast so viel getrunken?", fragte er leise und sah Jersey mit einem riesigen schlechten Gewissen an.

"Wie läuft es denn mit Lynn?", fragte Jersey interessiert.
Sie sehen sehr... 'zusammen' aus... aber er konnte sich irgendwie nciht vorstellen, dass sie so richtig... 'zusammen' waren...

Dann seufzte er tief.
"Ja...", gab er zu.
"Zu viel... die letzte nacht hab ich kotzend in wildfremden Wohnzimmern verbracht... glaub ich..."

Nachdenklich sah Gabriel Jersey an und seufzte leise.
"Ich hab keine Ahnung... er... ich weiß nicht. Ich glaub er weiß... dass ich ihn liebe, aber... Er hat nichts in die Richtung gesagt oder so... es tat ihm schrecklich leid, dass er mir wehgetan hat, und er hat gesagt er braucht mich und es geht ihm besser wenn ich da bin und ich musste ihm versprechen, dass ich ihn jeden Tag besuche, und gleichzeitig meinte er, er wäre nicht gut für mich und wollte auch ganz gerne, dass ich hierher ziehe.", fasste Gabriel die Situation zusammen so gut es ging.
"Ich... hab ihn einmal ausversehen fast geküsst, aber...", gestand er verlegen und wurde etwas rosa, dann wendete er sich lieber einem anderen Thema zu.
"In wildfremden Wohnzimmern???"

Jersey lächelte leicht.
"Vielleicht braucht er einfach ein bisschen Zeit... aber wenn er dich braucht und du ihm wichtig bist dann... dann ist das doch viel mehr als sowas vergängliches und oberflächlcihes wie Liebe, oder?", befand Jersey.
er selbst konnte diesen Wahn nach der großen Liebe nicht nachvollziehen.
Liebe kam, Liebe ging und Liebe wurde vollkommen überbewertet.
Sex konnte man ohne Liebe haben und Menschen konnte man auch vertrauen, wenn man sie nur als Freund liebte.
Also wozu der ganze Kram mit dem Herzschmerz und den Schmetterlingen?

Dann war es an Jersey ein wenig rosa um die Nase zu werden.
"Naja... nicht ganz fremd", gab er zu.
"Ich hab Chris vorher schon mal gesehen, aber verhältnismäßig irgendwie schon fremd... ich frag mich wie ich in dem Zustand überhaupt zu seiner Wohnung gefunden hab... und warum er mich sien Wohnzimmer hat vollkotzen lassen, statt mir die Tür vor der Nase zu zuknallen..."

"Vergänglich und oberflächlich...?", fragte Gabriel leise.
Irgendwie fühlte er sich plötzlich schlecht.
Die letzten Wochen hatte er einfach mit der Tatsache gelebt verliebt zu sein, aber... Durfte er das überhaupt?
Vielleicht wollte Lynn garnicht, dass sich jemand in ihn verliebte.
Vielleicht war es garkeine Liebe... woher sollte Gabriel schon wissen was Liebe war? Vielleicht hatte er sich getäuscht...
Außerdem... war er viel zu... viel zu Gabriel, als dass er Lynn lieben durfte.
Was hatte er schon zu bieten? Er bekam ja nichtmal sein eigenes Leben auf die Reihe...
"Ich... ich versteh nicht... warum ich ihm wichtig sein sollte...", murmelte er etwas überfordert.
Nachdem Jersey seine Frage beantwortet hatte schwieg Gabriel einen Moment.
Dann sah er auf.
"Wer ist Chris?"