7 Jersey/Chris

Die nächsten Tage verliefen super. Jersey war so glücklich, dass er seinen Gabriel endlich wieder hatte - er war nicht ein mal aus unter der Woche und lernte sogar für die Schule.
Freitags beschloss er dann jedoch, dass es wirklich an der Zeit war wieder mal etwas zu feiern und da Gabriel nicht mitkommen wollte, saß er gegen zehn Uhr alleine an der Bar eines Clubs und rührte lustlos in seinem Coktails herum.
Ihm war langweilig... er hatte keine Lust zu tanzen, keine lust zu reden... eigetnlich wollte er nichtmal irgendwelche Leute kennenlernen... er wollte nichtmal Fremde beobachten...
Gegen elf beschloss er zu gehen und fand sich kurz darauf vor Chris' Haustür wieder.
Vielleicht war er ja da und hatte Lust ein bisschen zu reden? Oder gemütlich Filme schauen... oder er wollte mit weg gehen...

Es war das letzte, was er von Jersey sah, als er ihn bei seinem Freund zurückließ.
Fast hatte er erwartet Jersey würde am nächsten Abend wieder vor seiner Tür stehen, und auch am Abend darauf rechnete er fest damit, aber Jersey ließ sich nicht blicken.
Oder hören.
Ein bisschen schade fand Chris es schon... aber andererseits bedeutete das vielleicht, dass der Kleine jetzt nicht mehr zuviel feiern ging und sich mit seinem Freund ausgesprochen hatte.
Chris beschloss, dass er genug nicht-getrauert hatte.
Um eine weitere schief gelaufene Beziehung mit frustrierendem Ende...
Er war dran, und so lud er seine Freunde endlich mal wieder zu einem Filme-abend ein.
Schon lange hatte er nicht mehr so viel Spaß gehabt.
Im endeffekt fühlte er sich sogar erleichtert, wie befreit, und er alberte mit den Jungs herum als würden sie das jeden Abend tun.
Sie hatten nichts bestellt, sondern mehr oder weniger gemeinsam gekocht, die Knabberkramvorräte hatte er besorgt, das Bier stand kalt und so konnte es losgehen.
Sie waren erst beim zweiten Film, als es plötzlich klingelte.
Irritiert hielt Chris mitten in der Bewegung inne, als er einem Freund Popcorn in den Ausschnitt stopfte, dann stand er auf und öffnete die Tür.
Jersey.
"Oh, hey... was machst du denn hier?", lächelte Chris perplex und trat zur Seite damit der Kleine hereinkommen konnte.
Wenigstens schien er nicht besoffen zu sein.

Als Chris die Tür öffente, blieb Jerseys Herz für einen Moment stehen.
"Ich... weiß nicht genau...", murmelte er dann durcheinander und blinzelte Chris an.
Er tapste an Chris vorbei, blieb irritiert stehen und wäre am liebsten sofort wieder weggelaufen, als er lautes Lachen aus dem Wohnzimmer hörte.
"H-hast du Besuch?", fragte er unsicher.
"Stör ich? Ich... ich wollte eigentlich nur... ich... du hast ja... ich geh dann wieder...", blubberte er und marschierte an Chris vorbei wieder nach draußen.
Im Gang blieb er dann jedoch wieder stehen, drehte sich erneut um und blinzelte ein paar mal.
"I... ich geh jetzt!", teilte er ihm nochmals mit.
Eigentlich hatte er ihm seine Handynummer geben wollen aber irgendie...
Oh Gott was... was passierte da gerade?
Jersey war sehr verwirrt...

"Ich... weiß nicht genau...", murmelte der Kleine, und ergriff sofort die Flucht, als er die anderen im Wohnzimmer grölen hörte.
Chris war verwirrt.
Erst als Jersey schon wieder draussen war und nocheinmal betonte, dass er jetzt gehen würde, konnte sich Chris ein Grinsen nicht mehr verkneifen.
Sah nicht so aus als wollte er wirklich gehen.
"Nein komm rein, wir machen nur 'nen Filmeabend. Ich denke wir haben genug Knabberkram für einen mehr.", lud er Jersey ein und hielt ihm auffordernd die Tür offen.
"Diesmal bist du wenigstens nicht betrunken...", lächelte er und wuschelte Jersey durchs Haar.
Ein komisches Gefühl war es schon... den Kleinen jetzt seinen Freunden vorzustellen, aber Chris wusste, dass sie sich in Jerseys Anwesenheit mit Fragen zurückhalten würden.
"Na komm..."

Nur einen Filmeabend???
Aber Jersey wollte Chris' Freunde nicht kennenlernen!!!
Also - nicht SO und nicht JETZT und überhaupt!!!
Nicht betrunken? Tatsächlich...
"Ich wünschte ich wärs", murmelte er leise.
"Eh also ich...", setzte er dann wieder lauter an, sah sich kurz um und suchte nach einer Ausrede.
"Ich muss dann wieder ich hab... Termine... und... so..."

"Keine Angst, die beissen nicht...", lächelte Chris und stubste Jersey auf die Nase.
"Wir haben sogar Schokokekse"
Plötzlich schien der Kleine doch ziemlich schüchtern zu sein, denn Chris vermutete stark, dass Jerseys Rückzieher mit seinen Freunden zutun hatte.
Gegen Schokokekse konnte Jersey jedoch wahrscheinlich nicht an.

Jersey setzte mehrmals an, Chris zu widersprechen, dann gab er sich geschlagen.
Schokokekse waren ein unschlagbares Argument!
"Ok... d-danke...", murmelte Jersey kleinlaut und kam wieder herein.

Grinsend schüttelte Chris den Kopf, als er hinter Jersey die Tür schloss.
Das war ja beinahe putzig, wie unsicher der Kleine plötzlich war!
Beruhigend wuschelte Chris Jersey noch einmal durch die Haare, dann schob er ihn sanft vor sich her ins Wohnzimmer.
Sie ernteten so einige Fragende Blicke, aber als Chris ihnen den Kleinen vorstellte begrüßten sie ihn brav und machten Platz, damit sie nebeneinander sitzen konnten.
Erst als sie beide saßen, trafen Chris noch einige seeehr neugierige Blicke, dann konzentrierten sich alle wieder mehr oder weniger laut auf den Film.

Jersey lächelte schüchtern, sagte allen brav '"Hallo' und wünschte sich nichts sehnlicher, als betrunken in irgendeinem Club zu stizen.

Stattdessen saß er steif auf dem Sofa neben Chris und knabberte stoisch an seinem Schokokeks, während er sich einen Film ansah, von dem er nichts mitbekam und krampfhaft versuchte Chris nicht anzusehen. Und auch sonst keinen!
Chris' Freunde sahen alle so... erwachsen aus...
Die waren alle weit über 20!
Jersey wusste gar nicht, wie alt Chris war... er war... irgendwie auch schon so erwachsen...
Er fühlte sich so schrecklich fehl am Platz...

Während des gesamten Abends sagte Jersey kein einziges Wort und rührte sich kaum.
Als sich die Jungs irgendwann verabschiedeten, war Jersey mehr als erleichtert.
Während Chris seine Freunde zur Tür brachte und dort verabschiedete, zog Jersey seine Beine an und versuchte sich so klein wie möglich zu machen.
Er fühlte sich schlecht...

Seufzend schloss Chris die Tür hinter dem letzten und genoss die Ruhe, die plötzlich eingekehrt war.
Schon während der Filme hatte er gemerkt, dass irgendwas los war.
Jersey hatte sich kaum gerührt, und besonders glücklich hatte er wirklich nicht ausgesehen, dabei hatte Chris gehöfft das würde sich geben, wenn er erstmal etwas aufgetaut war.
Nachdenklich räumte er ein paar Schüsseln weg, dann setzte er sich zu dem kleinen Häuflein Elend auf seiner Couch.
"Erzähl... was ist los...?", fragte er leise und legte sanft den Arm um Jersey.

Jersey rührte sich nicht, als Chris ihn umarmte.
Er starrte weiter auf den Schwarzen Fernsehbildschirm und schwieg.
"Wie alt bist du?", fragte er nach einer Zeit leise, ohne den Blick von dem Gerät zu nehmen.

Verwirrt sah Chris den Kleinen an.
Hatte er darüber etwa den ganzen Abend lang gegrübelt?
Langsam nahm Chris den Arm von Jerseys Schulter und seufzte.
"Ich werd demnächst 25...", antwortete er unsicher.
Hatte Jersey sich verschätzt?
Hatte er gedacht sie wären gleich alt???
Am liebsten hätte er Jersey gesagt wie leid es ihm tat, dass sie miteinander geschlafen hatten, aber das hätte der sicher falsch verstanden, und irgendwie glaubte Chris nicht, dass der Kleine vorhatte ihn deshalb anzuzeigen.
"Was dachtest du denn...?"

Jersey zuckte mit den Schultern.
Ja... was hatte er gedacht...
"Keine Ahnung", antwortete er nach einer Weile und seufzte leise.
"Ich hab mir da keine Gedanken drüber gemacht... bisher... war ich entweder betrunken oder verkatert, wenn wir uns gesehen haben... da... denk ich normal eher weniger..."
Er senkte den Blick und betrachtete seine Finger.
Dann schmunzelte er.
"Ich kam mir irgendwie ganz schön bescheuert vor...", murmelte er und griff nach dem letzten Keks in der Packung.
"Deine Freunde halten mich sicher für einen verklemmten Freak..."

"Meine Freunde kennen eine Menge Freaks...", lächelte Chris beruhigt, und drückte Jersey kurz.
"Ich dachte schon es wär was schlimmes... ", gestand er grinsend und pflückte sich ein Popcorn vom Sofabezug.
"Ist mit deinem Freund wieder alles okay?", fragte er dann und lehnte sich gemütlich zurück.
"Und bist du sicher, dass er nicht in DICH verknallt ist?"

Jersey war sich nicht ganz sicher, ob das ein Kompliment oder eine Beleidigung war, also ließ er es unkommentiert.
Stattdessen nickte er.
"Ist alles geklärt, wir haben uns ausgesprochen", berichtete er, dann stutzte er, zog die Augenbrauen zusammen und musterte Chris irritiert.
"W-wieso? Wie meinst du das?"

"Er sah aus als hätte er Liebeskummer...", antwortete Chris sofort und musterte Nachdenklich die Decke.
"Ich hab noch nie jemanden gesehn der wegen einem Freund so... fertig ist. Er sah aus als könnte er sich nicht vorstellen unter diesen Umständen noch lange weiterzuleben... Sehr unglücklich...", versuchte er zu beschreiben, was seinen Eindruck hervorgerufen hatte.

"Ach so", meinte Jersey und biss von seinem Keks ab.
"Er ist in Lynn verliebt und Lynn sieht in ihm nur einen sehr guten Freund, das macht ihn ziemlich fertig", erklärte Jersey.
"Naja und dass wir beide dann auch noch Streit hatten, hat ihm eben den Rest gegeben, weil ich außer Lynn der einzige Mensch bin, den er noch hat."

"Ohje...", murmelte Chris betroffen.
Es fiel ihm schwer, sich in eine solche Situation hineinzudenken.
"Er hat... außer euch beiden wirklich niemanden?", fragte er etwas ungeläubig nach.
"Und du... bist gerade erst aus Amerika zurück und Lynn hat er vor kurzem kennengelernt...? Was war denn dann vorher mit ihm?"

"Ich weiß nicht", antwortete Jersey.
"Ich vermute nicht viel..."

Er wollte nicht mehr über Gabriel reden.
So gerne er Gabe hatte aber...
Chris fragte ihn ständig über Gabe aus...
Bisher hatte er mehr von Gabe wissen wollen als von ihm!
Nicht, dass Jersey schaf darauf gewesen wäre sein Privatleben vor Chris auszubreiten, aber wenigstens ein bisschen Interesse...

"Ich denk ich geh dann...", murmelte er und stand auf.
"Soll ich dir noch helfen ein bisschen von dem Chaos aufzuräumen?", fragte er, während er die Wolldecke, in die er eingekuschelt gewesen war zusammenlegte.

"Und du...? Hast du jemanden?", stellte Chris dann ernst die Frage, die ihm schon länger unter den Nägeln brannte.
"Du bist mit deinen Eltern wieder zurückgekommen, oder? Hast du Geschwister? Sind deine Eltern lieb?"
Innerlich biss er sich auf die Zunge um einen erneuten Haufen Fragen zu verhindern.
Zumindest zu diesem Zeitpunkt.
"Ich denk ich geh dann...", sagte Jersey plötzlich und stand auf.
Irritiert sah Chris ihn an.
"Ehm... du... kannst mir gern ein bisschen helfen, wenn du magst, du kannst auch gerne bleiben, aber... wenn du wirklich gehen musst dann bring ich dich heim, okay?"
Stirnrunzelnd fragte sich Chris, ob Jerseys plötzlicher Aufrbuch mit seinem Alter zutun hatte... Aber er hatte den Kleinen doch in keinster Weise sexuell berührt oder so...

Jersey stutzte ein wenig, als Chris ihn plötzlich mit Fragen bombadierte.
Na wenigstens etwas.
Er legte die Wolldecke ordentlich auf das Sofa und begann Gläser ineinander zu stapeln.
"Meine Eltern sind toll", beantwortete er zuerst die letzte Frage.
"Ein bisschen unorganisiert und chaotisch, aber ich mag sie. Geschwister hab ich keine und darüber bin ich auch froh, ich könnte mir nicht vorstellen Geschwister zu haben... ehrlich gesagt stell ich es mir schrecklich vor... zumindest, wenn es jüngere wären...", erzählte er und brachte die Gläser in die Küche, wo er sie in die Spülmaschine räumte.
"Und wie siehts mit deiner Familie aus?", fragte er, als er wieder im Wohnzimmer war.

Erleichtert lächelte Chris, als Jersey doch wieder etwas aufzutauen schien.
"Meine Eltern leben auf dem Land, wir waren sozusagen eine typische, glückliche Großfamilie vom Dorf", erzählte er, während er die restlichen Schüsseln wegräumte und dann die leeren Flaschen einsammelte.
"Ich hab drei Brüder, aber die sind alle noch viel älter als ich"
Das 'noch' betonte er mit einem Augenzwinkern, dann räumte er die Kissen wieder auf die Couch.
"Also... wie siehts aus? Möchtest du bleiben?", fragte er schließlich.

Das betonte "noch" steigerte Jerseys Laune nicht gerade.
"Dann sind wohl was den familiären Hintergrund angeht so ziemlich das absolute Gegenteil", stellte Jersey schmunzelnd fest.
"Ich bin ein New Yorker Stadtkind in einer Familie, die in jeder Hinsicht alles andere als typisch ist."

Er trug noch die letzten Essensreste in die Küche, dann sah er sich im Wohnzimmer um.
"Ich weiß nicht... möchtest du denn, dass ich bleibe?", fragte er und sah Chris an.

"Beste Vorraussetzungen für kulturellen Austausch", grinste Chris und ließ sich auf die Couch fallen.
Ihre Filmabende verursachten jedesmal ein riesiges Chaos, aber inzwischen waren alle Spuren so gut wie beseitigt.
"Ich weiß nicht... möchtest du denn, dass ich bleibe?", fragte Jersey.
Chris verschränkte die Arme hinter dem Kopf und lächelte zu Jersey hoch.
"Ich hab dich gern hier", gab er dann zu, ohne seiner Meinung nach ZU direkt zu antworten.

Er hatte Jersey gerne bei sich!!!
Innerlich strahlte er wie ein Kuchen, äußerlich lächelte er und krümelte sich wieder neben Chris auf das Sofa.
"Ok, dann bleib ich da", antwortete er und hätte sich beinahe an Chris geschmust, zögerte dann jedoch und kuschelte stattdessen lieber mit dem großen Sofakissen.