1) Gabe/Jersey & 2) Gabe/Lynn

Als Lynn aus dem Bad zurück kam ging es ihm wenig besser.
Er blieb neben Gabriel auf dem Boden liegen und schwieg.
Sehr lange.
"Es tut mir Leid Gabriel...", flüsterte er irgendwann.
"Du solltest gehen..."

Zitternd kuschelte sich Gabriel an Lynn.
Ihm war schlecht, und schrecklich kalt.
Unwillkürlich kamen ihm die Tränen, als Lynn sagte er solle gehen.
"Warum...?", schluchzte Gabriel leise.
"Was ist passiert? Ich will bei dir bleiben..."

Lynn wollte nicht darüber reden. Ihm war schon wieder zum Kotzen, er hatte Kopfschmerzen und eine beachtenswerte Erinnerungslücke.
Das letzte, an das er sich erinnerte war...
Er schluchzte leise und rollte sich so eing zusammen, wie es nur ging.
"Bitte Gabriel! Geh!", flehte er erstickt.
"Ich bin nicht gut für dich! Nicht jetzt!"

"Nein", murmelte Gabriel schwach und schmuste sich weiter an Lynn.
"Ich bleibe... "
Jetzt würde er erst recht nicht gehen. Mal davon abgesehen, dass er im Moment überhaupt nicht gehen konnte.
"Ich will nicht weg von dir", schluchzte er leise.
"Und ich... ich kann auch garnicht."

"Ob du dich von deinem Vater verprügeln lässt, oder von mir spielt keine Rolle", murmelte Lynn und verbarg sein Gesicht sorgfältig vor Gabriel.

"Ich habs gesehn. Ich hätte gehen können.", wisperte Gabriel.
"Du... tust doch was dagegen! Du willst das nicht!"
Gabriels Tonfall war fast flehend.
Er konnte nicht noch jemanden verlieren.
Lynn war seine Familie, ob er es wollte oder nicht!
"Ich liebe dich, Lynn..."

"Dann geh wenigstens zu einem Arzt... oder ins Krankenhaus... oder sonstwohin...", wisperte Lynn.
Er konnte sich gerade selbst nicht ausstehen.
"Ruf Maia an... bitte...", murmelte er, dann rappelte er sich auf und kroch so schnell es ging zurück ins Bad, wo er sich erneut übergeben musste.

Einen Moment schloss Gabriel die Augen, dann kroch er schwerfällig zu Lynns Handy, das noch immer neben dem Bett lag, und suchte Maias Nummer aus dem Nummernspeicher.
Er musste nicht viel sagen, bis sie versprach sofort vorbeizukommen.
Dann blieb Gabriel erschöpft liegen und schloss die Augen.
Der schmerz in seinem Körper vermischte sich zu einem dumpfen Pochen.

Maia kam und regelte alles, wie immer.
Sie brachte Gabriel in ein Krankenhaus, kümmerte sich darum, dass er gut versorgt wurde und packte dann Lynn ein um ihn mit nach Hause zu nehmen.
Sie wusste, was zu tun war, oft genug hatte sie diese Situation erlebt.
Sie hielt ihn erfolgreich vom Trinken ab, unternahm etwas gegen seine Übelkeit, ließ sich von ihm beschimpfen und anbrüllen und schließlich nahm sie ihn in den Arm und tröstete ihn.

Am nächsten Tag ging es Lynn zumindest körperlich wieder besser.
Maia lieferte ihn zu Hause ab und holte dann Gabriel aus dem Krankenhaus.
Lynn ließ sich auf das Sofa sinken, kraulte Pete, der auf seinen Schoß hüpfte unter dem Kinn und schloss die Augen.

Gabriel war längst in einer Art Dämmerzustand, als Maia ihn ins Krankenhaus brachte.
Er bekam nicht mehr wirklich mit, was um ihn herum geschah und tat einfach, was man ihm sagte, wenn er es denn mitbekam.
Maia war es auch, die dafür sorgte, dass sein Erziehungsberechtigter nicht benachrichtigt wurde, und die ihn am nächsten Tag abholte.
Schrecklich unsicher und dick bandagiert stand Gabriel schließlich wieder vor Lynn.
Freudig kam Pete angelaufen um ihn zu begrüßen und Gabriel kraulte ihn liebevoll, bevor er ihn wieder Lynn auf den Schoß setzte.
"Hey...", murmelte er leise und setzte sich zu Lynn aufs Sofa.
"Geht es dir besser?"

Lynn legte seine Arme um Gabriel und lehnte seinen Kopf gegen ihn.
Er war froh nicht alleine zu sein...
"Ein bisschen...", antwortete er leise.
"Es tut mir so leid Gabriel. Ich... wie kann ich das wieder gut machen?", wollte er dann wissen und zog ihn ein wenig enger an sich.

Unendlich erleichtert ließ sich Gabriel gegen Lynn sinken und seufzte leise.
"Indem du mir nie wieder sagst, dass ich gehen soll.", murmelte er und lächelte schief.
Die Medikamente die sie ihm gegeben hatten waren gut...
Er fühlte sich ein bisschen wie in rosa Wattewolken gepackt.
"Warum ist das passiert...?", wollte er dann vorsichtig wissen.

"Ich bin froh, dass du jetzt gerade bei mir bist", murmelte Lynn ehrlich.
"Ich... schaff das nicht alleine und... Maia hat anderes zu tun, als vierundzwanzig Stunden am Tag auf mich aufzupassen."
Er lächelte bitter.
Warum?
Das war eine gute Frage...
Wo wollte er anfangen?
"Ich... hab eine schlechte Nachricht bekommen und war... etwas... scheiße drauf...", versuchte er das Nötigste zu erklären.

Allein für diese Worte würde sich Gabriel immer wieder verschlagen lassen.
Lynn war froh, dass er bei ihm war...
Trotz allem glücklich legte Gabriel den Kopf an Lynns Schulter und seufzte leise.
"Wie kann ich dir helfen?", fragte er leise.
"Passiert das öfter?"

"Es passiert nicht oft. Eigentlich hab ich es im Griff", antwortete Lynn leise.
"Nur wenn... ich mit einer Situation emotional überfordert bin oder... naja, das Übliche eben. Wobei mir nicht mal der Job in der bar etwas ausmacht, das ist eigentlich ungewöhnlich..."
Er streckte seine, langsam einschlafenden, Beine aus und strich Gabriel sanft die Wirbelsäule entlang.
"Ich weiß nicht wie du mir helfen kannst... ich glaube... es hilft, wenn du einfach da bist..."

Ein wohliger Schauer durchlief Gabriel, als Lynn seine Wirbelsäule entlangstrich.
Von seinen diversen Prellungen spürte er im Moment nichts, auch von den Schnitten, aus denen erst die Scherben entfernt werden mussten, merkte er nichts.
"Muss ich auf irgendetwas aufpassen? Und... also... wie vermeide ich in Zukunft... Situationen die dich emotional überfordern?"

Lynn musste schmunzeln.
"Was hältst du von einer einsamen Insel? Irgendwo im Nirgendwo? Vielleicht eine Zuckerwattewolke im Ahornsirupmeer?"
Er grinste Gabriel schwach an, dann drückte er ihn wieder an sich.
"Du kannst das Leben nicht von mir fern halten, fürchte ich", suefzte er leise.
"Aber du kannst mich alleine durch deine Anwesenheit glaube ich davon abhalten meine Sorgen im Alkohol zu ertrinken."

"Hmm...", brummelte Gabriel.
"Ich mag keinen Ahornsirup."
Nachdenklich sah er Lynn an.
"Ich möchte lieber Schokosauce."
Dann dachte er angestrengter nach.
"Lynn...?", fragte er dann ungewohnt ernst.
"Sind wir eine Familie?"

"Was muss eine Familie denn für Kriterien erfüllen, um eine Familie zu sein?", fragte er nachdenklich.
Für ihn hatte der Begriff 'Familie' nicht merh viel bedeutung.
Die Erinnerung an die Zeit, in der er noch eine Familie hatte, die hatte noch Bedeutung aber der Begriff an sich...

"Eine Familie ist... wenn man glücklich ist, glaube ich...", nuschelte Gabriel.
"Und wenn man sich liebt... und wenn man gerne zusammen ist, und jemanden hat der einem hilft und zu einem hält und einen tröstet wenn man traurig ist. Und wenn man jemanden hat der da ist, wenn man nach Hause kommt..."

"Dann könnten wir eine Familie sein, denke ich", bestätigte Lynn lächelnd.
"Tut es arg weh?", fragte er dann besorgt.
"Wollen wir Essen bestellen? Chinesisch? Pizza? Griechisch? Und Eis zum Nachtisch?"

"Hmm... die haben mir so lustige bunte Tabletten gegeben.", verneinte Gabriel Lynns Frage beruhigend und zeigte Lynn die Medikamente.
"Ich wollte gestern Pizza machen.", fiel ihm plötzlich ein, als Lynn das Essen erwähnte, und er sah etwas bedröppelt zu der Einkaufstüte, die noch immer in der Küche stand.
"Aber die Sachen sind jetzt sicher schlecht..."
Dann fiel ihm noch etwas ein, und er sah Lynn schockiert an.
"Ich muss doch zur Schule!!!"

"Ach was", widersprach Lynn.
"Da kannst du morgen auch noch hingehen. Lass uns lieber schauen, was noch gut ist und was draus kochen. Vielleicht bringst dus mir bei?"
Er lächelte Gabriel aufmunternd an.
Ablenkung war das, was er im Moment am meisten brauchte.

"Aber... morgen ist doch Samstag...", murmelte Gabriel düster.
"Da ist doch dann eh niemand da..."
Die Idee gemeinsam zu kochen fand Gabriel da schon um einiges besser.
"Pizza ist total einfach.", bestätigte Gabriel.
"Wir müssen aber erstmal den Teig machen. Sind eigentlich die Scherben aus dem Bad schon weg? Und die leeren Flaschen?"
Irgendwie machte ihn der Gedanke unruhig, dass noch Reste in den Flaschen geblieben sein könnten.
"Und das nächste Mal wenn dich etwas emotional überfordert, dann wartest du mit dem betrinken bis ich von der Schule wieder da bin und dir das ausreden kann, okay?"

"Dann gehst du eben am Montag wieder hin", meinte Lynn schulterzuckend und schob Gabriel von seinem Schoß um aufzustehen.
Sie gingen in die Küche und überprüften die Lebensmittel - alles noch gut.
"Maia hat aufgeräumt", antwortete er auf Lynns Frage, dann musste er lachen.
"Spinner", grinste er, zog Garbiel an sich und wuschelte ihm liebevoll durch die Haare.
"Aber wenn du das so willst, dann werde ich mich da natürlich selbstverständlich dran halten"
Er zwinkerte ihm zu und stellte sich dann vor den Zutatenstapel.
"So! Und jetzt machst du einen Pizzabäcker aus mir!"