10) Chris/Jersey

"Hör auf mich ständig wie ein Kind zubehandeln!!!", fauchte Jersey und schob Chris von sich.
"Entweder du blickst ein für alle mal, dass ich erwachsen genug bin um eigenmächtig und selbstverantwortlich zu handeln oder ich verpiss mich auf der Stelle und du siehst mich nie wieder!!!"
Jersey war wirklich sauer, richtig sauer!
Er konnte es nicht haben, wenn Chris ihn so behandelte!
Er war mit ihm auf einer Augenhöhe!
Ok, vielleicht nicht ganz, aber er war ein ernstzunehmender Mensch!

Chris hatte nicht aufgepasst.
Er hatte Jersey zu nah an sich heran gelassen.
Auch wenn Jersey schon schlimmer reagiert hatte, dieses war das erste Mal, dass es Chris wehtat.
Verletzt und erschrocken zog er sich zurück und brauchte einen Moment um zu reagieren.
"I-ich... Es tut mir leid, Jersey."
Dass Jersey in seinen augen noch ein Kind WAR, das sagte Chris lieber nicht.
Es waren mehrere Dinge an denen man merkte, dass Jersey eben noch nicht erwachsen genug war um eigenmächtig und selbstverantwortlich zu handeln.
"Glaubst du... ich hätte das getan wenn... du mir nicht unheimlich wichtig wärst?", fragte Chris leise und sah Jersey mit einem undefinierbaren Ausdruck in den Augen an.
"Warum... kannst du nicht verstehen wie wichtig mir das war? Unabhängig davon wie alt du bist, oder wie alt du wirkst. Sie sind deine Eltern, und sie sind Menschen die dir viel bedeuten. Ich möchte dass sie mich mögen, weil du mir viel bedeutest. Ich wollte nicht, dass du vielleicht irgendwann gezwungen wärst dich zu entscheiden. Ich kannte doch deine Eltern nicht..."
Noch immer sprach Chris ziemlich leise, und seine braunen Augen ließen Jerseys keinen Augenblick los.
"Bitte versuch, das zu verstehen... Ich wollte dich damit nicht bevormunden und ich wollte dich damit nicht hintergehen. Wenn sie mich abgelehnt hätten, dann hätte ich entschieden ob ich ihnen zeigen kann, dass ich es wert bin, oder ob es keinen Sinn hat und sie mich nie mögen werden. Ich möchte gut genug für dich sein."

"Ich hab doch gesagt, meine Eltern sind ok!", fauchte Jersey.
"Ich kann ganz gut einschätzen, was sie stört und was nicht! Ich könnte mit dem fünfzigjährigen rumvögeln, wenn ich ihn lieben würde, wärs ok für sie!"
Er stand auf und ging in Richtung Flur, dann blieb er stehen und drehte sich um.
"Ich entscheide verdammt noch mal selbst wann es an der Zeit ist dich meinen Eltern vorzustellen! Du hast kein Recht dazu!!!"

Seufzend rieb sich Chris übers Gesicht und versuchte seiner Enttäuschung Herr zu werden.
Im Endeffekt konnte Jersey nichts dafür...
Auch wenn er es selbst verlangte, konnte Chris nicht erwarten, dass er sich wie ein Erwachsener verhielt.
Chris wollte jetzt verdammt nochmal nicht streiten.
Langsam erhob er sich vom Sofa und baute sich vor Jersey auf.
"Es tut mir leid", sagte er und legte eine Hand sacht an Jerseys Wange.
"Ich werde nicht mehr unangemeldet bei euch auftauchen, okay?", murmelte er sanft und selbst seine Augen baten Jersey um Verzeihung.
Er fand es für sich noch immer richtig was er getan hatte... aber es tat ihm wirklich leid, dass Jersey es als Einmischung aufgefasst hatte... nicht ganz zu Unrecht.
"Das ganze ist nicht ganz so leicht...", erklärte er leise und zog Jersey sacht an sich.
"Einerseits bist du so viel jünger als ich... aber andererseits muss und will ich dich auch ernst nehmen. Unser Leben ist so unterschiedlich... das alles macht es unheimlich kompliziert."
Nachdenklich sah Chris zu Jersey herunter.
"Aber scheinbar bist du mir schon so wichtig, dass ich diese Sachen gern in Kauf nehme... Obwohl ich normalerweise absolut nicht auf komplizierte Beziehungen stehe."
Mit diesen Worten lächelte Chris wieder und hauchte Jersey einen Kuss auf die Lippen.

Jersey wollte wiedersprechen, heftig wiedersprechen, dann blieb ihm jedoch der Mund offen stehen und er sah Chris mit großen augen an.
"W-wir... haben eine Beziehung?", flüsterte er ungläubig und war sich irgendwie nicht ganz sicher, was das jetzt bedeutete.

Perplex blinzelte Chris den Kleinen an.
"Etwa nicht?", fragte er verwirrt und unsicher nach.
Aus seiner Sicht waren sie schon irgendwie zusammen...
Denn Gefühle für Jersey hatte er auf jeden Fall.
Wahrscheinlich sogar mehr als gut waren.

Jersey konnte nichts anderes tun, als Chris weiter groß anzuschauen.
Sein Blick war überrascht, staunend, fast wie der eines Kindes, das die Welt entdeckt.
"Aber...", flüsterte er.
"Ich hatte noch nie eine Beziehung... ich... ich weiß doch gar nicht... wie das geht...?"

Unwillkürlich musste Chris lächeln und strich Jersey durchs Haar.
"Hätt ichs dir lieber nicht sagen sollen?", murmelte er etwas amüsiert.
"Also... als erstes musst du drei Schritte rückwärts gehen, dann machst du einen doppelten Salto zur Seite und sagst dreimal hintereinander das Zauberwort. Mit den Fackeln die du dann bekommst legst du ein Quadrat, dessen Seiten du daraufhin berechnen musst. Die Zahlen ergeben dann die Anzahl an Schokokeksen die du essen musst, und die Quersumme der Zahl ergibt die Zeit, innerhalb der der letzte Schokokeks gegessen sein muss.", erklärte Chris geduldig und zog Jersey zurück aufs Sofa.
"Was hast du uns eigentlich bestellt?"

"Wenn Beziehungen so kompliziert sind, geh ich ihns Atheistenkloster!", beschloss Jersey und kuschelte sich an Chris.
Dann teilte er ihm mit, was er bestellt hatte und nahm Chris' Hand in seine eigene.
Sie war so groß... und stark...
"Wenn wir zusammen sind...", murmelte er dann.
"Dann ist es doch eigentlich auch... nicht schlimm, wenn wir miteinander schlafen, oder?"

Chris seufzte schwer, und er schloss seine Hand um Jerseys kleinere.
"Bitte Jersey...", murmelte er gegen Jerseys Schläfe.
"Du bist... gerade erst siebzehn geworden... "
Wie konnte er dem Kleinen bloß begreiflich machen was ihn bewegte?
Er hatte einfach ein schlechtes Gefühl dabei... ein sehr schlechtes.
"Ich... bin so viel älter... und... sei mir nicht böse, aber... soweit ich das mitbekommen habe hattest du jede Menge Sex, vermutlich auch mit älteren, und keine einzige Beziehung. Das kann nicht gut sein für dich... das ist nicht... normal für einen Jungen in deinem Alter... und ich versteh nicht ganz wie das gekommen ist. Ich möchte, dass das hier was besonderes für dich ist... und ich möchte, dass auf garkeinen Fall der Eindruck entsteht ich könnte dich in irgendeiner Weise ausnutzen, auch wenn du vielleicht sogar damit einverstanden bist. Das haben de anderen nämlich getan. Und ich möchte dich gern kennenlernen, Jersey... mit allem was dazugehört."

"Ich weiß, dass das nicht normal ist... aber... ich... es muss ja auch nicht sein... also... ich meine... wir haben jetzt... eine Beziehung... da will ich mit niemand anderem schlafen, aber... ich will mit dir schlafen!"
Er sah Chris ernst an.
"Ich weiß, dass du mich nicht ausnutzt! Das... das spür ich doch! Und... ich will mit dir schlafen einfach weil... nicht wielich Sex will! Sondern... weil ich..."
Seufzend brach er ab.
Er wusste nicht, wie er das, was er ausdrücken wollte, erklären sollte.
"Als... du mit mir geschlafen hast... da war... da war ich betrunken und... naja es war eigentlich... nichts gesonderes, aber... irgendwie... WAR es etwas besonderes für mich! Es war... anders... viel schöner! Alleine schon dich zu küssen ist wundervoll!!! Wieso... wieso enthältst du und das vor? Wieso erlaubst du uns nicht einfach auch auf körperlicher Ebene glücklich zu sein?"

"Wieso ist es so? Also... warum hast du das gemacht?", fragte Chris leise und streichelte Jerseys Arm.
"Das war allerdings was besonderes", schmunzelte er, als er an die Folgen ihrer ersten Nacht denken musste.
"Kannst du ohne Sex nicht glücklich sein?", fragte Chris dann ernster und sah Jersey an.
"Manchmal lohnt es sich einfach, etwas länger auf sowas zu warten... Ich hab... einfach im Moment noch ein ziemlich schlechtes Gefühl dabei... und... so möchte ich es einfach nicht. Nicht mit diesem Gefühl im Bauch. Vielleicht braucht es nur ein bisschen Zeit, bis ich mich an den Gedanken gewöhne...", versuchte er zu erklären.
Noch wich er von seinem Standpunkt nicht ab, auch wenn er Jerseys Wunsch verstehen und nachvollziehen konnte.
Jerseys Kommentar über ihre Küsse allerdings nahm er sogleich als Anstoß, selbiges in die Tat umzusetzen.
Sacht hob er Jerseys Kinn etwas an und küsste ihn lange und intensiv.
Tatsächlich fiel es ihm sehr schwer wieder damit aufzuhören, und als er den Kuss schließlich wieder unterbrach funkelten seine Augen und seine Wangen waren etwas gerötet.
"Warum hast du gerade bei mir geweint?", flüsterte er, das Gesicht noch immer nah vor Jerseys, und sah ihm tief in die Augen.

"Warum nicht?", fragte Jersey ernst.
"Das ist doch nicht schlimm... eigentlich..."
Er überlegte einen Moment.
"Natürlich könnte ich ohne Sex glücklich sein, aber ich wüsste nicht, wie so ich das sollte? Was ist so schlimm an Sex? Sex ist toll, also warum sollte ich drauf verzichten? Ich könnte auch ohne Schokoladenkekse glücklich sein, aber ich ess sie trotzdem gerne."

Er hörte Chris zu, dachte nach.
Warum sollte er warten?
Warum?
Er verstand es einfach nicht...
Dann zuckte er mit den Schultern.
"ich weiß nicht...", antwortete er leise.
"Vielleicht... ging es irgendwie alles nicht mehr... ich... hab nie mit irgendwem über meine Gefühle und Probleme geredet... irgendwann geht's glaub ich nicht mehr... keine ahnung... vielleicht hab ich auch gespürt, dass ich dir vertrauen kann..."

Leise seufzte Chris und rieb sich über die Stirn.
Irgendwie waren sie in soetwas wie eine Grundsatzdiskussion hereingeschliddert.
"Jersey... ich weiß nicht... ob ich wirklich brauche bis du achtzehn bist, aber... im Moment brauch ich einfach noch Zeit okay? Ich versprech dir, dass ich sofort bescheid sage, wenn sich was ändert."
Chris lächelte schief und strich Jersey über die Wange.
Er hoffte, dass sich der Kleine damit erstmal zufrieden geben konnte.

"Vielleicht solltest du dir angewöhnen ein bisschen öfter über deine Probleme zu erzählen, hm?", fragte Chris besorgt.
Aber trotzdem war es ein ziemlich schönes Gefühl Jersey sagen zu hören dass er ihm vertraute...
Eigentlich lag es auf der Hand, sonst wäre er sicherlich nicht wieder aufgetaucht, gerade dann wenn er Hilfe brauchte, aber...
"Jersey...", begann er dann leise.
"Ich... würde gern wissen wie... dein erstes Mal war, wenn das okay ist..."

Jersey blieb wohl wenig anderes übrig, als Chris' Bitte zu akzeptieren.
Lieber eine Beziehung ohne Sex als Sex ohne Chris...

Auf Chris' nächste Frage hin, zögerte Jersey.
"Naja...", setzte er an.
"Normal..."
Was sollte er dazu schon groß sagen?

"Normal...?", fragte Chris irritiert.
Was sollte man denn bitte unter 'normal' verstehen?
Gerade im Hinblick auf Jerseys Blickwinkel...
"Wie alt warst du...? Kanntest du ihn? War es schön?"

Jersey zuckte mit den Schultern.
"Es war ok...", meinte er dann.
"Ich war vierzehn... ich kannte ihn ein bisschen... wir waren locker befreundet... und es war... naja, es war ok. Was soll ich dazu groß sagen?"
Er fühlte sich sehr unwohl in seiner Haut.
"Und bei dir?", wollte er dann wissen, obwohl er nicht wusste, ob er es wirklich wissen wollte.

"Hm... ich war auch ungefähr in dem Alter... ich war total verknallt in einen Kerl aus einer höheren Klasse. Wir sind eine Zeitlang ausgegangen, ich fand ihn unheimlich cool damals. Er hatte Dreadlocks und Piercings und sah ziemlich gut aus.", erzählte Chris grinsend.
"Da wo ich zur Schule ging waren wir so ziemlich die einzigen die offen schwul waren, das hat uns wahrscheinlich zusammengebracht. Naja... er hatte natürlich auch ein cooles Zimmer im ziemlich uncoolen Haus seiner Eltern.... was diese leider nicht daran gehindert hat mittendrin reinzuplatzen.", schloss er und hob die Schultern.
Er wusste nicht direkt was er sich von Jerseys Erzählung erhofft hatte, aber es war doch ganz gut zu wissen, dass Jerseys erstes Mal wenigstens keine Katastrophe gewesen war.

"Hm...", machte Jersey.
Er hatte es wirklich nicht wissen wollen.
"Hattest du viele Bezihungen?", fuhr er dan fort Fragen zu stellen, deren Antwort er nich wissen wollte.

"Ja... beziehungsweise... kommt darauf an was man als viel bezeichnet, aber... Er war meine erste Beziehung, und danach hatte ich... glaube ich... noch fünf. Haben aber alle nicht lange gehalten...", sagte Chris leise und lächelte schief.
Jetzt war er sich ziemlich sicher zu wissen warum sie nicht gehalten hatten...

"Warum?", wollte Jersey wissen.

"Naja... mit Tom war ich zusammen bis er weggezogen ist, zum studieren. Und danach... naja, es hat immer etwas gefehlt. Meistens haben sie mich betrogen, aber ich war einfach zu blöd um was zu merken. Ich war nicht verliebt. Und deshalb hat es einfach nicht funktioniert. Weil die anderen verliebt waren... ", versuchte Chris nachdenklich zu erklären.
"Irgendwann haben sie gemerkt, dass ich mich nie in sie verlieben werde, obwohl ich mir immer Mühe gegeben hab alles für die Beziehung zutun. Es hat halt nicht gereicht..."

"Wärst du mit ihm zusammen geblieben, wenn er nicht weggezogen wäre?", wollte Jersey leise wissen.

"Hm...", machte Chris und seufzte leise.
"Ja... ich denke schon. Zumindest wären wir länger zusammen gewesen... Er war gleichzeitig sowas wie mein bester Freund. Aber ich weiß nicht, ob wir wirklich bis heute als Paar zusammengelebt hätten. Wahrscheinlich hätten wir uns irgendwann freundschaftlich getrennt oder so..."

Jersey sagte nichts.
Er zupfte an den Fransen der Wolldecke herum und beobachtete seine Hände dabei.
Gerade, als die Stille zwischen ihnen unangenehm wurde, klingelte es.
Jersey sprang auf und lief zur Tür.
Er nahm ihr Essen entgegen, zahlte und brachte es ins Wohnzimmer.
"Guten Appetit", meinte er, stellte Chris seine Box vor die Nase und ging in die Küche um Besteck zu holen.