3) Jersey/Chris

"Ohje...", murmelte Chris, und musste bei Jerseys Ausführungen doch wieder etwas grinsen.
"Er ist wohl ziemlich verknallt, was? Ich schätze du hast ihn nicht darauf angesprochen, oder?"

"Es ist schon echt deprimierend, dass sogar Lynns Scheiß-Ratte wichtiger ist als ich!", brummte er wütend und ein bisschen verzweifelt.
"Und nein, ich hab ihn nicht drauf angesprochen, es geht mich ja nichts an, ist ja seine Pseudobeziehung..."

"Pseudobeziehung?", fragte Chris etwas irritiert.
"Das hörte sich jetzt so an, als wären die Zwei schon zusammen... Und ich denke schon, dass es dich etwas angeht, wenn du sein bester Freund bist. Wenn er kein Interesse mehr an dir hat, dann sollte er das auch sagen. Allerdings schätze ich, dass er es einfach nicht sieht, so verknallt wie du ihn beschreibst."
Irgendwie konnte er nachvollziehen, dass Jersey das ziemlich scheiße fand, aber...
"Und warum... warum denkst du deshalb du wärst scheiße?"

"Naja so weit ich weiß, sind sie nicht zusammen, aber Gabe tut so. Wahrschienlich redet er sich so lange ein, sie wären es, bis ers echt glaubt! Und wenn er nicht den Mumm hat mir ins Gesicht zu sagen, dass ich nicht merh aktuell bin, dann kann er mich mal! Ich habs nicht nötig ihm nachzurennen! ICH hab nämlich im Gegensatz zu ihm Hobbies und Freunde! Und ich hab Familie und überhaupt gibt es für mich keinen Grund mich so behandeln zu lassen!!!"
Gegen Ende war Jersey immer lauter geworden und Tränen standen in seinen Augen.
Er presste das Gesicht gegen seine verschränkten Arme und versuchte zitternd die Fassung widerzuerlangen.
Es dauerte eine Gaze Weile, bis er auf Chris Frage antworten konnte.
Er hatte schon gehofft, dass die Gabe Sache ihn abgelenkt hatte...
"Nicht deshalb", flüsterte er.
"Dafür, wie ich bin kann Gabe nichts"

Jersey schien sogar eine ganze Menge Probleme zu haben, aber mehr als zuhören konnte Chris nicht. So wie es sich anhörte, war ihm dieser 'Gabe' wirklich sehr, sehr wichtig, denn als Jersey zuende geschimpft hatte, standen ihm schon wieder Tränen in den Augen.
"Meinst du wirklich, dass ihm garnichts an dir liegt...?", murmelte Chris und nahm Jersey wieder in den Arm, strich ihm tröstend übers Haar.
"Wenn ihr beste Freunde wart, dann kann ihm doch nicht daran gelegen sein, dass es dir schlecht geht..."
Jersey war verzweifelt, ja... aber er musste doch einsehen, dass sein Verhalten das alles nicht besser machte. Er wusste doch garnicht sicher, was in seinem Freund vorging...
"Wie bist du denn...?"

"Ich dachte schon, dass ihm was an mir liegt...", antwortete Jersey leise.
"Aber... seit früher hat sich einiges verändert... ich glaub... er mag mich nicht mehr... weil... ich anders geworden bin... und... ich kann... ich kann ihn ja verstehen aber... w-warum... sagt er nicht... einfach die Wahrheit...", flüsterte er ganz leise mit zitternder Stimme.
Gedacht hatte er sich das alles schon eine Weile aber...
Es auszusprechen tat weh.
"Früher waren wir immer zusammen... wir haben einfach alles zusammen gemacht und dann... dann war ich in New York und... jetzt ist alles anders...", versuchte er zu erklären, doch irgendwie bekam er keine Logik in sein Gedanken- und Gefühlschaos.

Konzentriert versuchte Chris aus dem Gestammel des kleinen schlau zu werden. "Vielleicht verstehst du ihn ja falsch...", schlug er leise vor.
"Ich weiß nicht wie er ist... Aber woran erkennst du, dass er dich nicht mehr mag? Vielleicht gibt es die Wahrheit, die du vermutest einfach nicht. Ist er denn oft verliebt? Erzähl mal was über ihn... wie ist er so... Und vor allem... was ist alles anders? Wie hast du dich verändert?"

"Ich weiß nicht, ob er oft verliebt ist", antowrtete Jersey nach kurzem Zögern.
"Ich hab ihn fünf Jahre nicht gesehen."
Er überlegte einen Moment.
"Er ist... ruhig... introvertiert... naiv... er kapselt sich total von allem ab...", versuchte er dann Gabriel zu erklären.
Erst als es gesagt war, wurde ihm bewusst, dass es ziemlich negativ klang.
"Naja und ich bin... anders...", murmelte er dann.
"Früher waren wir beide eher ruhig und... naja... ein bisschen anders als der Rest aber... Gabriel ist... ist noch viel mehr so geworden und ich... in New York geht man unter, wenn man sich nicht einmischt... ich... mir ist das irgendwie... nie so aufgefallen..."

"Okay... ruhig, introvertiert und kapselt sich von allem ab hört sich aber eher nicht an, als würde er schnell neue Freunde finden. Wenn er sich so abkapselt, wie hat er denn dann diesen Lynn überhaupt kennengelernt?", fragte Chris stirnrunzelnd.
Das war alles ziemlich kompliziert.
"Jersey... was meinst du mit 'anders' du sagst immer nur anders, dass du dich verändert hast, aber... was bedeutet das? Warum... ist es so schlimm, dass du es nicht aussprechen kannst?"

"Keine Ahnung...", antowrtete Jersey nachdenklich.
Ja, wie hatte Gabriel Lynn überhaupt kennengelernt???
So weit Jersey wusste war Lynn ebenfalls kein umtriebiger Mensch...
Dann riss Chris ihn jedoch wieder aus seinen Grübeleien.
"Naja ich... irgendwie... ist das schonarmselig... alleine die Tatsache, dass... dass ich jetzt hier bin... das... das sollte nicht...", versuchte er zu erklären, was ihn ihm vor ging, ohne es so zu sagen, wie es war.

Irritiert hob Chris eine Augenbraue.
'Keine Ahnung'???
So gut schienen die zwei also doch nicht befreundet zu sein, denn entweder hatte 'Gabe' Jersey nichts erzählt, oder dieser hatte garnicht nachgefragt.
Oder beides.
Dafür ahnte Chris so langsam, worauf der Kleine hinaus wollte.
"Machst du das öfter...? Mit Fremden mitgehen?", fragte er leise, und wunderte sich zum widerholten Male, wie alt Jersey eigentlich war.
Seiner Vermutung nach war er auf jeden Fall zu jung um in der Woche um diese Uhrzeit in Bars rumzuhängen und mit Fremden Männern nach Hause zu gehen.
Auch wenn er selbst in diesem Fall der Fremde Mann war... Chris mochte sich garnicht vorstellen, wer den Kleinen mitgenommen hätte, wenn er es nicht getan hätte.
Aber war er eigentlich so viel besser?
Okay, immerhin hatte er ihn zu nichts gezwungen, hatte ihm nicht wehgetan, und hatte ihm sogar seinen Keksvorrat geopfert, aber... nichtsdestotrotz hatte er mit dem Kleinen geschlafen.
Bei diesem Licht betrachtet wirkte Jersey sogar noch jünger, zerbrechlicher und ganz eindeutig unglücklich.
Er brauchte keinen Onenightstand mit älteren, er brauchte einen lieben Freund in seinem Alter, der ihn davon abhielt zuviel zu trinken.
Und er brauchte seinen besten Freund.
"Jersey... ich glaube... du brauchst ihn.", murmelte Chris und fuhr zärtlich durch Jerseys Haar.
"Und wenn er so naiv ist, wie du sagst... dann solltest du mit ihm reden. Dann merkt er es sicher nicht von allein."

"Ach was", schnaubte Jersey.
Natürlich brauchte er Gabriel!
Das war es ja, was die ganze Sache so unhiemlich schwer machte.
"Und...", settze er dann an um den unangenehmen Teil seiner Antwort zu geben.
"Ja, ich mach das öfter... und ich glaube... zu oft... und... oh man ich KANN nicht mit ihm reden!!!"

"Warum kannst du nicht mit ihm reden? Ich denk er ist dein bester Freund...", fragte Chris.
Er spürte langsam, wie sich Kopfschmerzen in seinen Gedankenknoten bildeten.
"Ich glaube in dem Fall ist jedes einzelne Mal zu oft... Warum machst du das? Also... du bist doch scheinbar unglücklich damit... warum hörst du nicht auf?"

"Ich bin nicht gut darin über meine Gefühle zu reden", murmelte Jersey leise.
"Außerdem... hab ich Angst, dass ich Recht hab..."

"Keine Ahnung warum ich das mache...", antwortete er dann.
"Warum sollte ich es denn nicht machen? Du machst es ja schienbar auch."
Er wirkte ein wenig bockig, als er das sagte.
"Und... ich bin nicht unglücklich, weil... es ist... ach keine Ahnung..."

"Ruf ihn an...", schlug Chris leise vor.
"Am besten jetzt... Was hast du denn zu verlieren? Im schlimmsten Fall bleibt es, wie es jetzt ist, im besten Fall ändert es sich, und es war nur ein Missverständnis. Ich kann verstehen, dass das schwer ist, aber... versuch es einfach. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du ihm von heut auf morgen egal bist!"
Es war unheimlich frustrierend zu sehen, dass die Lösung für seine Probleme praktisch direkt vor Jerseys Füßen lag... und er sich einfach nicht traute sie anzunehmen.

"Nein... ich mach das nicht öfter. Um ehrlich zu sein hab ich das heut zum ersten Mal gemacht... und ich hab festgestellt, dass es das nicht wert ist. Ich wollte mich betrinken und irgendjemanden abschleppen, aber wenn du mir nicht über den Weg gelaufen wärst, dann wärs beim Betrinken geblieben. Und wenn du nicht unglücklich bist... warum brichst du dann weinend in der Wohnung eines völlig Fremden zusammen, hm?"
Besorgt sah Chris dem Kleinen in die Augen.
Man merkte stark, dass er noch ziemlich jung war.
Einerseits schien er viele, viele Erfahrungen mit Männern zu haben, andererseits war er so überfordert mit seinen Gefühlen, dass er garnicht wusste wie er damit umgehen sollte.

"Ich kann ihn doch jetzt nicht anrufen...", murmelte er.
"Er schläft... morgen ist Schule..."
Natürlich hätte er ihn rein theoretisch anrufen können...
Aber viel einfacher war es, das Ganze zu verschieben.

Dann schnaubte er leise.
"Danke, ich bin am Boden und du kratzt mit mir die Hundescheiße von deinen Schuhen", reagierte er trocken auf Chris' Abschleppgeschichte.
"Und ich kann heulen wann und wo ich will!", fügte er beleidigt an, dann stand er auf und sah sich nach seinem Krempel um.
"Ich geh jetzt, ich hab morgen in der ersten LK", teilte er Chris mit und tappste etwas orientierungslos durch den Raum.

"Natürlich kannst du ihn jetzt anrufen...", meinte Chris.
"Er ist dein bester Freund... sowas ist wichtiger als Schule!"
Leise Ächzte er, als Jersey ihm die ganze Sache auch noch zum Vorwurf machte.
"Natürlich kannst du heulen wann und wo du willst... ich hatte nur nicht den Eindruck, dass es dir sonderlich viel Spaß macht."
Wortlos sah er zu, wie der Kleine verwirrt durch sein Wohnzimmer lief, dann stand er seufzend auf und wuschelte ihm durchs Haar.
"Wenn du möchtest kannst du hierbleiben. Ansonsten bring ich dich nach Hause, okay?"
Wieder zögerte er einen Augenblick und sah Jersey ernst an.
"Und... das mag sich jetzt seltsam anhören, aber... wenn du möchtest kannst du jerderzeit herkommen. Sag mal... wie alt bist du eigentlich?"

"Ich will ihn aber jetzt nicht anrufen", beschloss Jersey stur.
"Und doch, ich habe sehr viel Spaß beim Heulen, ich bin Schauspieler, es gibt nichts Schöneres als spontane Gefühlsausbrüche! Und ich bin siebzehn..."
Er fluchte und zeterte noch ein wenig auf englsich vor sich hin, suchte weiter seine Klamotten zusammen und baute sich schließlich vor Chris auf.
"Ich schlafe hier - ich kann meine linke Socke nicht finden!"

Siebzehn... das war ja gerade noch Okay.
Nein war es nicht, knapp daneben war eben auch vorbei, aber wenigstens kam sich Chris bei einem Siebzehnjährigen nicht so pädophil vor wie bei einem Fünfzehnjährigen... oder noch schlimmer.
Himmel, da würde er sich nicht nur so vorkommen, da WAR er pädophil!
Aber Siebzehn war eben immernoch minderjährig...
Chris war ziemlich mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, während sich Jersey zeternd durch seine Wohnung bewegte.
Erst als sich der Kleine nicht besonders beeindruckend vor ihm aufbaute, wurde er wieder aufmerksam.
Einen Moment war er etwas verwirrt, dann nickte er automatisch.
"Ehm... okay. Möchtest du auf dem Sofa schlafen oder in meinem Bett?", fragte er perplex.
Es war albern.
Immerhin hatten sie miteinander geschlafen.
Oder eher er mit dem Kleinen...
Wobei der ja auch einiges dazu beigetragen hatte...
Trotzdem hatte Chris jetzt einige Hemmungen mit ihm gemeinsam in einem Bett zu schlafen.
Obwohl sein Bett groß war, und es ja eigentlich überhaupt nichts schlimmes war in einem großen Bett nebeneinander zu liegen und sogar getrennte Bettdecken zu haben.
"Argh!", machte er leise und versuchte damit seine Gedankengänge zu unterbrechen.
"Wenn es dir nichts ausmacht können wir auch beide in meinem Bett schlafen....", seufzte er dann.
"Ich such dir wohl besser was zum Schlafen raus, hm? Wenn du Zähneputzen willst... im Schrank über dem Waschbecken ist 'ne Ersatzzahnbürste."

Jersey zog seine rechte Augenbraue sehr langsam und sehr weit nach oben.
"Wirst du jetzt, spießig oder was?", fragte er vollkommen ernst.
"Vor schätzungsweise zwei Stunden has tu mich gefickt und jetzt soll ich einen Schlafanzug tragen???"

Verdutzt sah Chris auf.
Er hatte so viele Schräge Gedankengänge in diesem Moment und Jersey störte sich ausgerechnet am Schlafzeug???
"Naja... ich dachte... schläfst du immer nackt?", wollte er dann verwirrt wissen und störte sich in diesem Moment nichteinmal an Jerseys Ausdrucksweise.

"Ja?", antwortete Jersey mit noch immer hochgezogener Augenbraue.
"In Schlafanzughosen verheder ich mich immer", erklärte er dann gütigerweise, bevor er an Chris vor bei ins Schlazimmer ging.
Zumindest hatte er das vor, landete jedoch in der Küche.
Er drehte sich um und marschierte an Chris vorbei in die andere Richtung.

In Chris' Schlazimmer kletterte er ins Bett, kuschelte sich in die Ecke und rollte sich ein.

Chris brauchte einen Moment...
Dann schüttelte er seufzend den Kopf und machte sich ebenfalls schnell fertig.
Er für seinen Teil schlief immer in Boxershorts.
"Kopf hoch, Kleiner...", murmelte er, und strich Jersey noch einmal durchs Haar, bevor er den Wecker stellte und das Licht löschte.
"Schlaf gut..."

Nett wie er war stand Chris am nächsten Morgen zusammen mit Jersey auf.
Besser gesagt er stand vor Jersey auf und warf diesen aus dem Bett, als er das Frühstück mit Aspirin als Nachtisch gemacht hatte.
Sehr gesprächig waren sie beide nicht, aber als Chris den Kleinen vor seiner Schule absetzte betonte er noch einmal, dass Jersey jederzeit zu ihm kommen konnte.